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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 19.10.1992, 11:01 Uhr.

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ADN1012 4 bl 244

Berlin/Justiz/Mord
Anklage wegen heimtückischen Mordes - Bundeswehrsoldat stieß Frau vor die U-Bahn

Berlin (dts Nachrichtenagentur/ADN-bln). Ein 21jähriger Bundeswehrsoldat aus Weißensee muß sich seit Montag vor dem Berliner Landgericht wegen heimtückischen Mordes aus niedrigen Beweggründen verantworten. Der nach eigener Aussage unter Alkoholeinfluß aggressive Angeklagte wollte sich vor der 23. Großen Strafkammer nicht mehr erinnern, am Abend des 29. April auf dem U-Bahnhof Turmstraße in Tiergarten eine ihm völlig unbekannte 26jährige Frau vor einen einfahrenden Zug gestoßen zu haben. Der Mord war von Zeugen beobachtet worden, die anschließend die Flucht des Betrunkenen verhinderten.

Der Angeklagte gab an, am Morgen des Tattages in seiner Wohnung in der Goethestraße einen Teil des Arbeitslosengeldes seines bei ihm wohnenden Bruders vertrunken zu haben. Während einer Sause durch mehrere Kneipen in Neukölln tranken beide anschließend weiter. An die folgenden Stunden - Kurfürstendammbummel, Kaufhausbesuch und Trennung vom Bruder nach einem Streit - erinnere er sich nicht mehr, behauptete der Mann. Erst bei seiner Vernehmung durch Kriminalbeamte drei Stunden nach der Tat wäre er wieder klar im Kopf geworden. Auch die Konfrontation des Strafkammervorsitzenden mit seinen eigenen Angaben vor der Kriminalpolizei, ließen den Angeklagten bei dieser Version bleiben. Aus Gutachten geht hervor, daß der Mörder zur Tatzeit rund drei Promille Alkohol im Blut hatte.

In der Schilderung seines Lebenslaufs gab der Angeklagte zu, seit der Lehre als Ausbaumaurer zum Alkohol gegriffen zu haben. Nach seiner Einberufung zu einer Panzerjägerkompanie Anfang des Jahres blieb der Soldat dreimal nach einem Wochenendurlaub der Truppe fern, weil er "total betrunken" war. Zuletzt verließ er Anfang April seine Einheit und lebte unbehelligt in seiner Wohnung. Zwei Tage vor dem Mord wurde er mit einer gestohlenen Flasche Schnaps in einer Kaufhalle erwischt.

Für den Prozeß sind drei Verhandlungstage vorgesehen.

est/iha

191001 Oct 1992