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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 18.01.1992, 11:52 Uhr.

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ADN2018 4 al 369

Georgien/Zusammenstöße/Lage
(Übersicht) Gamsachurdia-Anhänger zogen in Richtung Bagdadi - Premier Sigua entsandte Vermittler

Tbilissi (dts Nachrichtenagentur/ADN). Die Kolonne bewaffneter Gamsachurdia-Anhänger ist nach dem am Freitagabend gescheiterten Versuch, in Kutaissi einzudringen, in Richtung auf die Stadt Bagdadi abgezogen. Über ihre weiteren Absichten und das Endziel ihres Marsches ist bisher nichts bekannt. Bei den neuen bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Verbänden des regierenden Militärrats hat es nach Angaben des amtierenden georgischen Premiers Tengis Sigua Verletzte gegeben. Zahlen wurden nicht genannt. Vor ihrem Aufbruch aus dem Präsidenten-Fluchtort Sugdidi hatten die Gamsachurdia-Anhänger erneut zum "Kreuzzug nach Tbilissi" und zur Entfachung des Bürgerkrieges aufgerufen.

"Es wäre naiv, die Erfolge von Präsident Gamsachurdia nur durch Anwendung von Gewaltmethoden gegen seine Gegner erklären zu wollen", schreibt am Sonnabend die "Komsomolskaja Prawda". "Der Präsident verfügt noch über eine Superwaffe - aufpeitschenden Nationalismus".

Sigua gab unterdessen in Tbilissi bekannt, Vermittler zu Gamsachurdia entstandt zu haben. Es solle alles versucht werden, um weitere militärische Konfrontationen zu vermeiden, sagte er. Gamsachurdia werde sich höchstens eine Woche in Georgien halten können. Nach Angaben der provisorischen Regierung werde er lediglich in drei oder vier Regionen des Landes unterstützt.

Der Chef des kaukasischen Militärbezirks der ehemaligen Sowjetarmee, Generaloberst Patrikejew, hat gegenüber der Militärzeitung "Krasnaja Swesda" die Meinung geäußert, daß ein Abzug seiner Truppen vom Territorium des souveränen Georgiens auf absehbare Zeit nicht aktuell sei. Die Regierung in Tbilissi verstehe, daß die Truppen auch Aufgaben im Interesse der Sicherheit der Republik erfüllen. Würde Rußland eine derartige Initiative entfalten, meinte der General, hielte er das für falsch. Die neuen Machthaber in Tbilissi hatten einen Beschluß des georgischen Parlaments aufgehoben, die Anwesenheit von Truppen der Sowjetarmee käme einem Okkupationsregime gleich.

Wie die Agentur NEGA am Sonnabend berichtete, soll sich die Familie von Präsident Gamsachurdia in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny aufhalten. Der Chef der Tschetschenen-Republik, Dsochar Dudajew, hatte auch Gamsachurdia Asyl angeboten. Nach bisher amtlich nicht bestätigten Berichten soll Gamsachurdia mit seiner Fluchtmaschine in Grosny zwischengelandet sein und mit Dudajew verhandelt haben. Bei diesem Aufenthalt könnten die Mitglieder der Präsidentenfamilie in Grosny ausgestiegen sein.

Die Behörden Armeniens haben inzwischen Vorwürfe zurückgewiesen, sie hätten die Rückkehr Gamsachurdias nach Georgien verhindern müssen. Der Sicherheitsberater des armenischen Präsidenten, Aschot Manutscharjan, erklärte am Freitag auf einer Pressekonferenz in Jerewan, man habe die Freizügigkeit des Ex-Präsidenten nicht einschränken können, weil dies ein Verstoß gegen international geltende Normen und Freiheiten gewesen wäre.

181052 Jan 1992