CSFR/Nordböhmen/Razzia
Razzia gegen Roma in Usti nad Labem - Nordböhmens Bürgermeister greifen zum Faustrecht

--Von ADN-Korrespondentin Steffi Gensicke--

Prag (dts Nachrichtenagentur/ADN). Die nordböhmische Stadt Usti nad Labem (Aussig) ist entschlossen, sich mit drastischen Schritten der aus der Slowakei zuwandernden Roma zu erwehren. Prager Zeitungen berichteten am Wochenende von einem "rasanten Eingriff" der städtischen Polizei, die bei einer Razzia am Freitag zunächst 120 Wohnungen kontrolliert hat. Wer sich nicht als rechtmäßiger Mieter und mit Personaldokumenten ausweisen konnte, flog auf die Straße. Die geräumten Wohnungen wurden verschlossen und versiegelt.

Wie Jan Novotny von der Polizei in Usti sagte, sind 58 Roma aus der Stadt gewiesen wurden. Als Grundlage für ihr Vorgehen diente den Stadtvätern ein tags zuvor von ihnen verkündeter Erlaß zur "Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit". Besucher dürfen sich danach künftig nur noch fünf Tage bei Verwandten oder Bekannten aufhalten, einem längeren Besuch muß der Vermieter der Wohnung zustimmen. Wer dem zuwiderhandelt, wird mit einer Geldstrafe von 5.000 Kronen belegt. Zahlungsunfähigen kann das Geld von der Sozialunterstützung abgezogen oder öffentlich nützliche Arbeit verordnet werden. Für hartnäckige Fälle soll, wie es hieß, ein gesondertes Gefängnis eingerichtet werden.

Usti ist nach Jirkov die zweite Stadt, die immer wieder angedroht hat, falls entsprechende Schritte der Regierung ausbleiben, zum Faustrecht zu greifen. Die gesetzwidrigen Schritte gegen "nichtanpassungsfähige Einwohner" finden den Presseberichten zufolge "spontane Zustimmung". Usti gehört, wie viele Orte Nordböhmens, zu den Hauptsiedlungsgebieten der Roma in der Tschechischen Republik. Auch in der Vergangenheit hausten viele von ihnen unangemeldet in leerstehenden Häusern unter unvorstellbaren hygienischen Bedingungen. Exakte Zahlenangaben darüber, wieviele Roma in der Stadt leben, gibt es nicht. Bei der Volkszählung von 1991 hatten sich lediglich 1.100 Einwohner von Usti zu dieser Minderheit bekannt, Schätzungen gehen jedoch von mindestens 10.000 aus. Im vergangenen Jahr sollen 15.000, mancher spricht auch bereits von 20.000, hinzugekommen sein.

ges/ped

121318 Dec 1992