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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 23.05.1997, 12:04 Uhr.

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Kinder/Armut/DKSB
(Sperrfrist 18.00 Uhr) Kinderschutzbund startet Aktion gegen Kinderarmut in Deutschland

Hannover (dts Nachrichtenagentur/ddpADN). Eine Kampagne gegen Kinderarmut in Deutschland ist vom Deutschen Kinderschutzbund (DKSB) gestartet worden. Auftakt für die Aktion "Arme Kinder. Armes Deutschland" war am Freitag abend in Hannover eine Veranstaltung, an der Vertreter von Kinderhilfsorganisationen, Kirchen sowie aus der Politik teilnahmen. DKSB-Präsident Heinz Hilgers stellte dabei die Vorhaben seiner Organisation zur Bekämpfung der Kinderarmut vor. Zugleich formulierte er die Forderungen des Kinderschutzbundes an Politik und Gesellschaft.

Hilgers verwies darauf, daß gegenwärtig mehr als zwei Millionen Kinder unter 18 Jahren in Deutschland von Armut betroffen sind. Damit zähle jedes siebte Kind zu dieser Gruppe. Die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland sei in den vergangenen Jahren immer weiter auseinandergeklafft, fügte der DKSB-Präsident hinzu. Gegenwärtig verfüge das obere Drittel der privaten Haushalte über 58 Prozent der Haushaltseinkommen, das untere Drittel lediglich über 15,7 Prozent.

Hilgers kritisierte zugleich, daß Armut in Deutschland zunehmend heruntergespielt und verdrängt werde. So würden Arme und Arbeitslose diskriminiert, ihre Situation individualisiert und bagatellisiert. Ursache für Armut sei jedoch nicht eigenes Versagen, sondern die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzpolitik. Noch sei Deutschland eines der reichsten Länder. Wenn man aber Kinder der Armut überlasse, werde auch die Bundesrepublik ein armes Land, betonte Hilgers. Deshalb müsse das Thema Kinderarmut absolute Priorität in der Politik erhalten. Zur Bekämpfung der Armut sei eine gerechtere Verteilung von Vermögen und Einkommen sowie von Arbeit notwendig.

Ziel der Kampagne des Kinderschutzbundes sei es zum einen, den Menschen die Auswirkungen von Kinderarmut bewußt zu machen und den Wert der Solidarität neu zu beleben. Hilgers forderte in diesem Zusammenhang, betroffenen Familien mehr finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Ferner müsse jedem Versuch widerstanden werden, an der Sozialhilfe zu drehen. Diese dürfte keinesfalls gekürzt werden.

Armut habe ihren Ort, sagte Hilgers. Deshalb müßten in den einzelnen Stadtteilen bessere soziale und kulturelle Möglichkeiten für betroffene Kinder geschaffen werden. Dazu gehörten Freizeiteinrichtungen ebenso wie Mittagstische, da viele Kinder in ihren Familien kein warmes Essen erhalten. Um das mangelnde Selbstbewußtsein der Kinder zu stärken, müßten alle Angebote mit den Jungen und Mädchen gemeinsam gestaltet werden. So ließen sich psychische und soziale Defizite am besten ausgleichen.

Hilgers betonte, es sei zwar Aufgabe von Staat und Kommunen, die Rahmenbedingungen für die Überwindung von Armut zu schaffen. Der Kinderschutzbund wolle mit seiner Kampagne jedoch auch das ehrenamtliche Engagement in den Stadtteilen fördern. Dazu würden die 408 Ortsverbände des Kinderschutzbundes Bündnispartner vor Ort suchen. Vorgesehen sei eine Ausweitung und Vernetzung der bisherigen DKSB-Initiativen wie Kinderspiel- und Lerngruppen, Läden mit billigen Secondhandkleidern und Mittagstische. Dazu gehöre auch die Beratung betroffener Kinder und Familien zu Fragen wie Partner-, Gewalt-, Erziehungs- und Schulprobleme oder Verschuldung.

jor/muc

231004 May 1997