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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 16.06.1997, 13:00 Uhr.

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Brand/Anschlag/Husum
(Übersicht) Keine konkrete Spur zu Husumer Kirchenbrandstiftern - Umfassender Schutz der Kirchen kaum möglich - "Anschlag auf christliche Ethik"

Kiel/Flensburg (dts Nachrichtenagentur/ddpADN). Nach dem Brandanschlag auf die evangelische Christuskirche in Husum gibt es noch keine heiße Spur von den Tätern. Derzeit überprüfe die Sonderkommission "EG Christuskirche" acht Hinweise auf Personen und Kfz-Kennzeichen, sagte der Sprecher der zuständigen Flensburger Kriminalpolizei, Sönke Büschenfeld, am Montag auf Anfrage. Es gebe keine Erkenntnisse, daß die Tat im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die katholische St. Vicelin-Kirche in Lübeck vor drei Wochen stehe. Allerdings sei dies auch nicht auszuschließen.

In der Nacht zum Sonntag waren Unbekannte durch ein Seitenfenster der Christuskirche ins Gebäudeinnere geklettert und hatten den Altar mit drei Flaschen Terpentin übergossen und angesteckt. Der Altar wurde bei dem Brand zerstört. Das Feuer erlosch später von selbst. Der Schaden beläuft sich schätzungsweise auf rund 100.000 Mark. An die Kirchentür klebten die Täter einen Zettel, der mit dem Titel "Der Richterspruch" überschrieben war. Der Text verunglimpft den christlichen Glauben. Das Schreiben war offenbar mit Plakatkleber befestigt, so daß die Polizei die Original-Kirchentür abmontieren mußte. Derzeit werde versucht, das Schreiben von der Tür zu lösen, sagte Büschenfeld.

Der Sprecher der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kiel, Ocke H. Peters, betonte, zwischen den beiden Anschlägen gebe es "keinen inhaltlichen, sondern nur einen zeitlichen Zusammenhang". Während die Lübecker Tat ausländerfeindlich motiviert gewesen sei, handele es sich in Husum um einen "antichristlichen und antijüdischen Akt". Das gehe aus dem am Tatort gefundenen Pamphlet hervor. Der Anschlag richte sich gegen die christliche Ethik und damit gegen die "Basis der freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung".

Nach Worten Peters' ist es kaum möglich, Kirchen gegen Anschläge zu schützen. Im Kirchenbereich Nordelbien gebe es 810 Kirchen und Kapellen, mehr als 1.000 Pastorate und rund 700 Gemeindehäuser. Deswegen sei ein schneller und umfassender Schutz nicht vorstellbar und ein "unbilliges Verlangen". Nordelbien umfaßt die Länder Schleswig-Holstein, Hamburg und den Kreis Harburg.

Der Anschlag von Lübeck vom 25. Mai ist unterdessen weitgehend aufgeklärt. Die Polizei nahm bereits am Freitag den 19 Jahre alten Gärtnerlehrling Christian P. aus Lübeck fest, der die Tat gestand. Er sitzt wegen des Verdachts der schweren Brandstiftung in Untersuchungshaft. Zwei weitere Jugendliche, darunter der Bruder des Inhaftierten, spühten nach eigenen Angaben Hakenkreuze an die Kirchenmauern. Sie befinden sich jedoch auf freiem Fuß: Eine Mittäterschaft an der Brandstiftung konnte ihnen nicht nachgewiesen werden.

hrt/voe

161100 Jun 1997