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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 25.10.1992, 12:44 Uhr.

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Konjunktur
(Wochenend-Zusammenfassung) Reduzierte Wachstumsprognose für 1993 - Kohl sieht "rauhere Zeiten" für deutsche Wirtschaft - Ost und DAG fordern Leitzinssenkung

Berlin (dts Nachrichtenagentur/ADN). Die Konjunktur-Schwäche der deutschen Wirtschaft wird nach Einschätzung des Bundeswirtschaftsministeriums länger anhalten als bisher angenommen. Nach Informationen des Hamburger Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" geht das Ministerium beim Wachstum für 1993 in Westdeutschland jetzt nur noch von einem bis 1,5 Prozent aus. Die bisherige Prognose lag bei 2,5 Prozent Zuwachs. Die reduzierte Wachstumprognose entspricht auch den Erwartungen von Wirtschaftsexperten am Finanzplatz Frankfurt am Main. Einer Umfrage der "Berliner Morgenpost" (Sonntagsausgabe) zufolge rechnet man dort mit einem Anstieg des Bruttosozialprodukts in den alten Bundesländern um 1,25 Prozent im nächsten Jahr.

"Rauhere Zeiten" stehen der deutschen Wirtschaft auch nach Ansicht von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) bevor. Angesichts des in zehn Wochen vollendeten europäischen Binnenmarktes müsse der Standort Deutschland "auf den Prüfstand", sagte Kohl der "Bild am Sonntag". Dies sei bisher nicht ausreichend geschehen. Kohl kritisierte vor allem die EG-weit kürzesten Wochen- und Lebensarbeitszeiten sowie Maschinenlaufzeiten in Deutschland. Damit könne Deutschland als exportorientiertes Land auf Dauer nicht konkurrenzfähig bleiben. Der Kanzler plädierte ferner für "flexibler gestaltete Löhne", weil ein Lohnanstieg oberhalb des Produktivitätszuwachses Arbeitsplätze zerstöre.

Angesichts der Konjunkturschwäche hat der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Bundestages, Friedhelm Ost (CDU), die Deutsche Bundesbank aufgefordert, die Leitzinsen zu senken. Der "B.Z. am Sonntag" sagte Ost, dies würde Druck von der "flauen Konjunktur" nehmen und die deutsche Wettbewerbssituation verbessern. Nach Ansicht von Ost bewegt sich das Wachstum bereits "an der Null-Linie". Es drohten Massenentlassungen und Kurzarbeit in der Industrie. Auch die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) reagierte auf die reduzierte Konjunkturerwartung mit der Forderung nach einer Leitzinssenkung. Der Zentralbankrat sollte endlich der Förderung von Investitionen und Beschäftigung Vorrang einräumen, sagte die stellvertretende DAG-Vorsitzende Ursula Konitzer am Sonntag in Hamburg. Auch international müsse ein Signal zur Abkehr von der Hochzinspolitik gesetzt werden.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) rechnet für das kommende Jahr mit weit mehr als drei Millionen Arbeitslosen in der Bundesrepublik. Allein in Ostdeutschland werde es einen Zuwachs von über 200.000 Arbeitslosen geben, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer dem Kölner "Express". Das Bundesarbeitsministerium rechnet dagegen laut "Spiegel" lediglich mit bundesweit 100.000 zusätzlichen Arbeitslosen. Damit läge die Zahl noch knapp unter der Drei-Millionen-Schwelle.

stu/hcp

251144 Oct 1992