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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 19.10.1998, 15:05 Uhr.

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Fall Pinochet führt zu Verstimmung zwischen Chile und Spanien

Frei trifft Aznar - Straw will nach juristischen Kriterien

- Abendmeldung (neu: Frei, Frankreich, Straw, Einzelheiten)

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Bayona/London (AP) Drei Tage nach der Verhaftung des chilenischen Exdiktators Augusto Pinochet ist Chiles Präsident Eduard Frei am Montag zu Gesprächen in Spanien eingetroffen. Es gab zunächst allerdings keine Bestätigung dafür, daß Frei bei dem Treffen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Jose Maria Aznar in Bayona über den Fall sprechen wollte. Der ehemalige Militärmachthaber war am Freitag auf einem spanischen Auslieferungsbefehl hin in einer Londoner Klinik verhaftet worden. Die Regierung in Santiago hatte gegen die Festnahme protestiert und die Achtung der diplomatischen Immunität Pinochets gefordert.

Frei sagte bei seiner Ankunft in Bayona, Spanien habe auf seinem Weg zur Demokratie nach dem Franco-Regime nicht solche Menschenrechtsverfahren durchmachen müssen, wie sie nun von Chile im Fall Pinochet verlangt würden. Es wurde erwartet, daß Frei unmittelbar nach dem Treffen mit Aznar wieder abreisen würde. Nach Angaben der chilenischen Botschaft in Madrid hatte er zuvor wegen der Verhaftung Pinochets einen 24stündigen Privatbesuch in der spanischen Hauptstadt abgesagt.

Die französische Regierung begrüßte unterdessen die Festnahme des Exdiktators. "Wer wie er Gewalttaten und Staatsstreiche begeht, wird irgendwann davon eingeholt werden", sagte Regierungssprecher Daniel Vaillant am Montag. Die Pariser Regierung hatte Pinochet vor wenigen Wochen die Einreise nach Frankreich verweigert.

Zwtl: Pinochet laut Anwalt bei Einreise »wie Ehrengast behandelt«

Der britische Innenminister Jack Straw kündigte in London an, in Pinochets Fall trotz der ihm vorgeworfenen Gewalttaten unvoreingenommen entscheiden zu wollen. "Die Vorgeschichte von General Pinochet ist allgemein bekannt", sagte Straw. "Aber ich werde den spanischen Auslieferungsantrag wie jeden anderen Auslieferungsantrag behandeln." Pinochets Anwalt kündigte in einer in London veröffentlichten Erklärung harten Widerstand gegen eine Auslieferung ab. "Bei seiner Ankunft wurde er wie ein Ehrengast behandelt", hieß es in der Erklärung von Kingsley Napley. "Die Erlaubnis zur Einreise und zum Aufenthalt in diesem Land wurde in seinem Diplomatenpaß gestempelt."

Die chilenische Regierung entsandte unterdessen eine Delegation nach London, die Pinochet mit diplomatischer Beratung unterstützen soll. Außenminister Jose Miguel Insulza sagte, die strafrechtliche Verteidigung sei die Sache des 82jährigen und seiner Familie.

Seit Freitag hat Spanien 40 Tage Zeit, formell die Auslieferung Pinochets zu beantragen. Die letzte Entscheidung liegt dann bei Straw.

Während seiner 17 Jahre dauernden Herrschaft wurden Tausende Oppositionelle getötet oder verschwanden spurlos. Darunter sollen auch spanische Staatsbürger gewesen sein, weshalb die dortige Justiz die Auslieferung Pinochets beantragt hat. In seinem Land kann Pinochet nicht mehr strafrechtlich belangt werden: Für alle bis 1978 verübten Menschenrechtsverletzungen wurde eine Amnestie erlassen, die das Gros der amtlich festgestellten 4.299 Fälle getöteter und verschwundener Menschen abdeckt. Darüber hinaus genießt Pinochet nach seiner Pensionierung als Oberbefehlshaber des Heeres in seinem Amt als Senator auf Lebenszeit Immunität in Chile.

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AP/237,268,298,rd/mp/kd

191305 Oct 1998