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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 09.09.1992, 11:32 Uhr.

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undestag/Haushalt
(Überblick) Generaldebatte über Etat 1993 im Bundestag - Klose: Regierung betreibt Versteckspiel - Bötsch: Richtiger Konsolidierungskurs

Bonn (dts Nachrichtenagentur/ADN). Der Bundestag hat am Mittwoch seine Beratungen zum Etat 1993 mit der traditionellen Generalaussprache über die Regierungspolitik fortgesetzt. SPD-Fraktionsvorsitzender Hans-Ulrich Klose sagte, die Regierung von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) betriebe ein Versteckspiel um die Finanzierung des wirtschaftlichen Aufbaus in Ostdeutschland.

Klose hielt dem Kanzler vor, er glaube offensichtlich nicht an die Solidarität der Westdeutschen mit den Menschen in Ostdeutschland. Diese Bereitschaft sei aber vorhanden, wenn man den Menschen erkläre, wofür die Opfer notwendig sind. Ohne zusätzliche Opfer im Westen sei der Aufbau im Osten nicht möglich, unterstrich Klose. Er erneuerte die Forderung der SPD nach einer zeitlich befristeten Ergänzungsabgabe und kritisierte zugleich die kontroverse Diskussion um Anleihemodelle in der Koalition. Einziger Grund für diese Debatte sei, daß die Regierung einen Kassensturz vermeiden wolle. Dann müsse sie nämlich eingestehen, daß es ohne zusätzliche Einnahmen nicht gehe, betonte der SPD-Fraktionschef.

Seinem Amtskollegen in der Unionsfraktion, Wolfgang Schäuble (CDU), hielt Klose vor, sich neuerdings auch als "Vordenker" für die SPD zu betätigen. Die SPD sei aber nicht dazu da, die Regierungskoalition aus den Fallstricken der eigenen Fehler zu befreien. Es könne nicht sein, daß man bei den kleinen Verdienern abkassiere, bei den Besserverdienenden aber nur Geld leihe. Die SPD sei zur Zusammenarbeit bei der Lösung wichtiger Probleme bereit, für "Spielchen" stehe sie aber nicht zur Verfügung. Die SPD werde nicht den Nothelfer spielen, um von der Unfähigkeit der Koalition abzulenken. Jetzt sei die Ursache der Ausschreitungen in Rostock Ausländerfeindlichkeit gewesen. Er frage sich, was passiere, wenn Menschen in den neuen Ländern ihre Wohnungen räumen müßten, weil sie wesdeutschen Besitzern überlassen werden. Massen- und Dauerarbeitslosigkeit stellten eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Gesundheit der Betroffenen dar. Wenn die Mehrheit der Menschen eines Ortes oder einer Region ohne Arbeit sei, müsse das negative Folgen wie aggressives und antisoziales Verhalten haben. Im Osten lasse die Arbeitslosigkeit keine Familie aus. So, wie die deutsche Vereinigung gelaufen sei, seien die Menschen in den neuen Bundesländern um eine Hoffnung auf eine bessere Zukunft betrogen worden. Darin liege einer der Gründe für die durch nichts zu rechtfertigenden Gewalttaten gegen Ausländer, betonte der SPD-Fraktionschef. Entschreckend viele Menschen im Osten seien "arbeitslos, hoffnungslos, wertelos". Gewalt gegen Ausländer entstehe nicht spontan, sondern dadurch, daß es einer Gruppe von rechten Drahtziehern gelinge, latente Aggression "gegen einen Feind zu lenken". Mit der Forderung nach einer schnellen Änderung des Asylrechts gebe die Union den Gewalttätern von Rostock und anderen Orten auch noch Recht.

Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Wolfgang Bötsch, wies die Forderung der SPD nach einer Aussetzung der Beratungen über den Haushalt 1993 als absurd zurück. Der Haushalt sei solide finanziert, auch wenn die SPD einen anderen Eindruck zu erwecken suche. Gemessen am Bruttosozialprodukt seien die Schulden jetzt geringer als 1981, dem letzten Jahr der sozialberalen Koalition. Die Begrenzung des Ausgabenzuwachses auf 2,5 Prozent und die weitere Rückführung der Neuverschuldung zeige den "einzig richtigen Konsolidierungskurs" auf, betonte Bötsch. Er verlangte erneut eine Grundgesetzänderung beim Asyl. Die Koalition habe dem Gesetz über die Beschleunigung der Asylverfahren gegen die eigene Überzeugung zugestimmt, weil die SPD sich einer Verfassungsänderung verweigert habe. Die Forderung nach einer Grundgesetzänderung habe mit den Krawallen gegen Ausländer nichts zu tun, betonte der CSU-Politiker.

rok/muc/kwi

090932 Sep 1992