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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 06.12.1992, 12:26 Uhr.

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Wirtschaft/Ostdeutschland
(Wochenend-Zusammenfassung / Sperrfrist 2400) DGB fordert Umkehrung der Deindustrialisierung im Osten - "Sonntagspost": Westdeutsche Unternehmen verlagern zunehmend Produktion - Neue Milliarden-Kosten durch Wismut-Schäden

Berlin (dts Nachrichtenagentur/ADN). Eine Umkehr der Politik der "Deindustrialisierung in Ostdeutschland" hat die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Ursula Engelen-Kefer, gefordert. Eine wichtige Rolle dabei spiele die Treuhandanstalt, erklärte sie im Vorfeld der Wirtschaftsgespräche am Montag bei Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU). Mehr als die Hälfte aller Industriebeschäftigten der neuen Bundesländer sei derzeit in Treuhandbetrieben tätig.

Der milliardenschwere Transfer von West nach Ost müsse verstärkt auf Investitionen und die Sicherung von Industriestandorten gelenkt werden, sagte die DGB-Vizevorsitzende. Dies gelte auch für den Ausbau der Infrastruktur und den Wohnungsbau. Obwohl der Nachholbedarf in der ostdeutschen Wohnungsversorgung enorm sei, habe sich beispielsweise die Neubautätigkeit im Vergleich zu 1990 mehr als halbiert.

Die in Berlin erscheinende "Sonntagspost" berichtete indessen, immer mehr westdeutsche mittelständische Unternehmen verlagerten aus Kostengründen ihre Produktionsstätten nach Ostdeutschland. Dort werde für weniger Geld länger gearbeitet und neue Fabriken würden hoch subventioniert. Dafür bauten die Firmen Arbeitsplätze im alten Bundesgebiet ab. Als Beispiele führte das Blatt die Münchner Firma "Pfanni" an, die in Stavenhagen in Mecklenburg-Vorpommern ein neues Werk mit 100 Mitarbeitern eröffnet hat und im Stammwerk rund 250 Arbeitsplätze abbauen will. Der Betriebsrat befürchte den Verlust aller 1.000 "Pfanni"-Arbeitsplätze im Westen. Weiter nennt die Zeitung die Modelleisenbahn-Firma "Märklin", die beim Teil-Umzug nach Thüringen 240 Arbeitsplätze im Westen abgebaut habe. Auch die Geflügel-Firma "Wiesenhof" werde zum Jahresende alle 150 Mitarbeiter in Obertiefenbach entlassen. Sie wolle in neuen Werken in Königs Wusterhausen bei Berlin und in Möckern bei Leipzig weiterproduzieren.

Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" kommen durch Sanierungsmaßnahmen in Ostdeutschland neue Belastungen in zweistelliger Milliardenhöhe auf die Bundesregierung zu. Grund dafür sei ein Rechtsgutachten des sächsischen Umweltministeriums zur Sanierung von Schäden durch den Uranabbau der sowjetisch-deutschen Aktiengesellschaft Wismut. Der Bund müsse dafür einen weitaus höheren Betrag zahlen als bisher angenommen. Den Angaben zufolge veranschlagt Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) für alle Sanierungsgebiete, die nach Ende 1962 noch in Wismut Besitz waren, einen Betrag von 13 Milliarden Mark.

ffj/hwa

061126 Dec 1992