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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 09.05.1998, 10:11 Uhr.

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Schillernde Figur als Favorit für das Präsidentenamt in Manila

(Bild MLA101, weitere geplant)Joseph Estrada liegt mit 18 Prozentpunkten in Führung -

Exfilmstar potentieller Nachfolger von Fidel Ramos

Von AP-Korrespondent David Thurber ¢

Manila (AP) Für den philippinischen Vizepräsidenten Joseph Estrada ist die Präsidentenwahl am Montag schon gelaufen. "Ich glaube, daß ich gewinnen werde, weil alle Umfragen zeigen, daß ich in Führung liege", sagte Estrada am Freitag in Manila. Und in der Tat dominiert der 61jährige das Kandidatenrennen seit Januar. Einer zuletzt veröffentlichten Umfrage zufolge kann Estrada mit 33 Prozent der Stimmen rechnen und liegt damit um 18 Prozentpunkte vor seinem schärfsten Rivalen, dem Parlamentspräsidenten und Kandidaten der Regierungspartei, Jose de Venecia.

Außer Estrada und de Venecia bewerben sich weitere acht Kandidaten um das höchste Staatsamt. Zunächst hatte auch die Witwe des ehemaligen Machthabers Ferdinand Marcos, Imelda, kandidiert. Sie zog ihre Kandidatur jedoch am Samstag offiziell zurück und rief ihre Anhänger auf, Estrada zu unterstützen. Amtsinhaber Fidel Ramos darf laut Verfassung nicht für eine weitere sechsjährige Amtszeit kandidieren, er wird am 30. Juni zurücktreten.

Der klare Favorit Estrada kann vor allem auf die Unterstützung der Armen des Landes bauen. Er gilt als schillernde Figur, die nicht so recht ins Bild eines ranghohen politischen Würdenträgers passen will. Nachdem er den Besuch der Oberschule abgebrochen hatte, wurde er Filmstar und übernahm in billigen Actionfilmen häufig die Rolle eines Zukurzgekommenen, der sich für die Armen einsetzt. Später ging er in die Politik - zunächst als Bürgermeister einer Vorstadt von Manila, dann für fünf Jahre als Senator und zuletzt als Vizepräsident.

Er trägt lieber Jeans und Turnschuhe als Anzüge und will dies auch den Mitgliedern seiner Regierung gestatten, so lange sie ihre Arbeit gut machen. Estrada spricht freimütig über seine von Alkohol und Glücksspiel geprägte Vergangenheit und seinen Hang zu schönen Frauen. Er hat mehrere Kinder mit verschiedenen Frauen, obwohl er verheiratet ist. Sein einziges Laster sei derzeit noch das Rauchen, sagt er. Die katholische Kirche ist vom Ruf Estradas nicht angetan. Der einflußreiche Erzbischof von Manila, Jaime Kardinal Sin, erklärte, eine Wahl Estradas zum Präsidenten wäre eine Katastrophe für das Land, der Kandidat ein schlimmes Vorbild für die Jugend. Von Wirtschaft versteht Estrada nach eigenem Eingeständnis nichts, und Bücher liest er selten. Auf Wahlkampfveranstaltungen reißt er Witze über sein schlechtes Englisch. Das kommt beim Volk gut an, denn viele Philippiner beherrschen die Verkehrssprache des Landes auch mehr schlecht als recht.

Zwtl: »Sogar Ratten, Tote und Tausendfüßler könnten wählen«

In Wirtschaftskreisen wird befürchtet, daß Estrada das unter Ramos in Gang gekommene Wachstum nicht beibehalten könne. Doch der Kandidat hat bereits ein investorenfreundliches Klima unter seiner Regierung angekündigt. Ferner versprach er im Wahlkampf den Ausbau der Landwirtschaft und die Sicherung der Versorgung mit Lebensmitteln sowie die Wiederherstellung von Recht und Gesetz binnen sechs Monaten.

Während des Wahlkampfs kamen bislang 27 Menschen durch politisch motivierte Gewalttaten ums Leben, was einen Rückgang gegenüber früheren Wahlen bedeutet. Als besonders kritisch gelte die Lage in 19 Städten, erklärte der oberste Polizeichef des Landes, Santiago Alino. In 406 weiteren Orten würden ebenfalls Gewalttaten befürchtet. Politiker und private Wahlbeobachterorganisationen äußerten sich darüber hinaus besorgt über möglichen Wahlbetrug. Der Gouverneur der autonomen Region Mindanao sprach bereits von "Anomalien in den Wählerlisten": "Sogar Ratten, Tote und Tausendfüßler könnten wählen, weil offenbar sogar sie sich registrieren ließen."

Außer dem Präsidenten wird am Montag auch ein neuer Vizepräsident gewählt. Hier liegt Senatorin Gloria Arroyo von der Regierungspartei mit 42 Prozent der Stimmen vor Estradas Kandidat Edgardo Angara in Führung, der in Umfragen auf 18 Prozent kommt. Weitere 100.000 Personen bewerben sich um 17.340 Ämter auf nationaler und kommunaler Ebene. Die Stimmen werden von Hand ausgezählt und von den 7.000 Inseln des Landes nach Manila gebracht. Mit der offiziellen Verkündung des Siegers durch den Kongreß wird erst in mehreren Wochen gerechnet.

Ende

AP/76,124,198g7,240g,111/sü/kd

090811 May 1998