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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 07.07.1992, 06:55 Uhr.

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ADN2004 4 al 223

Österreich/Presse/Bosnien
"Oberösterreichische Nachrichten": Warnsignal für ganz Europa

Wien (dts Nachrichtenagentur/ADN/APA). Die "Oberösterreichischen Nachrichten" meinen, die "Kantonisierungs-Pläne" hätten das Ende Bosnien-Herzegowinas vorgezeichnet:

In einem Punkt waren sich Extremisten in Serbien und Kroatien stets einig: Bosnien-Herzegowina hat als eigenständiger Staat keine Lebensberechtigung. Gerüchte über Absprachen zwischen Serben und Kroaten über eine Teilung werden durch die Ausrufung eines eigenen kroatischen Teilstaates auf dem Territorium des UNO-Mitglieds Bosnien-Herzegowina bestätigt. Der unselige "Friedensplan" der EG, der eine "Kantonisierung" des Landes, die Errichtung eigener Gebiete für Moslems, Serben und Kroaten, vorsah, hat das Ende Bosnien-Herzegowinas vorgezeichnet.

Dieses Ende signalisiert einmal mehr, daß in einer Zeit hochgepeitschter chauvinistischer Gefühle die Überlebenschancen multikultureller Gesellschaften aufs äußerste bedroht sind. Bosnien-Herzegowina ist damit ein Warnsignal für ganz Europa: nationalistischen Hetzern kann gar nicht früh genug entgegengetreten werden.

Der Zerfall Bosnien-Herzegowinas ist vor allem für eine Gruppe eine ungeheure Tragödie: die Moslems. Bosnien-Herzegowina sollte ja eigentlich ihr Staat sein. Sie sind Nachkommen jener christlichen Sekte der Bogumilen, die von Byzanz und Rom gleichermaßen verfolgt wurden und sich nach der türkischen Eroberung des Balkans deshalb rasch zum Islam bekehrten. Heute geraten sie zwischen den Hammer der orthodoxen Serben und den Amboß der katholischen Kroaten.

Die Moslems haben kein "Mutterland", in das sie wie Serben, Kroaten, Albaner oder Ungarn fliehen können. Europa aber weist den Moslem-Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina die Tür. Sie sind das eigentliche Bauernopfer des Machtkampfes auf dem Schlachtfeld Jugoslawien.

070455 Jul 1992