[zurück zur Suche]

 

Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 16.10.1998, 17:59 Uhr.

Die dts Nachrichtenagentur hält die umfangreichen Nutzungs- und Verwertungsrechte. Bei Fragen zu Sondernutzungsrechten oder Lizenzierung wenden Sie sich an unseren Vertrieb.

 

ADN0466 4 wi 468

Tarife/Arbeitsmarkt/Zf/
(Zusammenfassung) IG-Metall-Forderung stößt auch in SPD auf Widerstand - Wirtschaft droht mit Absage an Bündnis für Arbeit

Bonn (dts Nachrichtenagentur/ADN). In der neuen Debatte um den künftigen Kurs der Tarifpolitik haben jetzt auch SPD-Politiker die Gewerkschaften zum Maßhalten gemahnt. Dagegen verteidigten mehrere Gewerkschafter die Forderung der IG Metall nach 6,5 Prozent mehr Lohn. Indessen drohten Spitzenvertreter der Wirtschaft angesichts der Steuerpläne und des tarifpolitischen Kurses der Gewerkschaften mit einer Absage an ein Bündnis für Arbeit.

Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) sagte der Zeitschrift "Super Illu", es sei jetzt nicht die richtige Zeit für ein "Ende der Bescheidenheit" bei den Gewerkschaften. Vielmehr müßten die Stärkung der Wirtschaft und die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Vordergrund stehen. Der Osten stünde wirtschaftlich heute ganz anders da, hätte man diese Grundsätze schon 1990 berücksichtigt. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Heinz Schleußer (SPD) sagte der "Bild"-Zeitung, eine Erhöhung um 6,5 Prozent sei für den öffentlichen Dienst "völlig indiskutabel".

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer betonte dagegen im Deutschlandradio Berlin, die Arbeitnehmer hätten in den vergangenen Jahren durch sehr maßvolle Lohnsteigerungen Vorleistungen erbracht. Es könne aber nicht so weitergehen, daß die Gewinne stiegen und in den Portemonnaies der Arbeitnehmer immer weniger übrigbleibe. DGB-Vorstandsmitglied Regina Görner sagte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur ADN, da es nun in einzelnen Branchen "ganz erkennbar aufwärts" gehe, gebe es keinen Grund, sich bei Lohnforderungen zurückzuhalten. Dies sei keine Frage von Bescheidenheit oder Unbescheidenheit.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), Hans Peter Stihl, wies indes die Lohnforderung der IG Metall zurück. Dies sei kein vertrauensbildendes Signal für ein Bündnis für Arbeit, sagte Stihl der "Bild"-Zeitung. Er frage sich, was aus einem Bündnis für Arbeit herauskommen solle, "wenn solche Lohnforderungen auf den Tisch kommen und gleichzeitig notwendige Reformen zur Senkung von Steuern und Abgaben von der Regierung gekappt werden". Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, warnte gar, wenn sich die Steuer- und Sozialpolitik so entwickeln sollte, wie es sich jetzt abzeichne, dann könne man "keine Hand zum Bündnis reichen".

Die DGB-Vizechefin Engelen-Kefer reagierte allerdings gelassen auf die Drohungen aus der Wirtschaft. Diese sollte man nicht "zu hoch bewerten". Auch maßgebliche Arbeitgebervertreter sähen die Notwendigkeit, zu einem Bündnis für Arbeit zu kommen. Allerdings werde man kaum bereit sein, sich so etwas wie Lohnleitlinien vorgeben zu lassen, fügte die DGB-Vizechefin hinzu. Möglich seien aber Zugeständnisse der Gewerkschaften bei den Fragen der Arbeitszeiten und der Arbeitsbedingungen. Stolpe kündigte allerdings an, auch über die Lohnforderung der IG Metall werde man "am Runden Tisch eines neuen Bündnisses für Arbeit noch zu reden haben".

Der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel forderte die Arbeitgeberverbände auf, "ohne Vorbehalte und ohne Vorbedingungen" an den Verhandlungen über ein Bündnis für Arbeit teilzunehmen. Die Arbeitgeber wären gut beraten, ein solches Bündnis "nicht von vornherein mit unsinnigen Hypotheken und Bedingungen zu belasten", sagte Zwickel bei einer Veranstaltung zum 50. Jahrestag der Gründung der Nachkriegs-IG-Metall in Lüdenscheid. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) betonte dort, man brauche den sozialen Konsens genauso wie die Fähigkeit zu Innovationen.

stu/hoe

161559 Oct 1998