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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 11.03.1992, 11:56 Uhr.

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Werften/Schwerin
Schiffbauer fordern auf Kundgebung Verbundlösung für Werftenprivatisierung - Landtag berät Situation

Schwerin (dts Nachrichtenagentur/ADN). Eine große Verbundlösung für die Privatisierung der Werften Mecklenburg-Vorpommerns einschließlich ihrer Zulieferbetriebe forderten am Mittwoch in der Landeshauptstadt mehrere Tausend Arbeitnehmer der Deutschen Maschinen- und Schiffbau AG (DMS). Vor dem Schweriner Schloß, in dem der Landtag über die Zukunft des wichtigsten Industriezweiges in Mecklenburg-Vorpommern berät, fragten die Schiffbauer auf Plakaten "Mecklenburg, hast du diese Regierung verdient?" und prophezeiten: "Ohne Jobs in der Region, Alfred G., fällst Du vom Thron".

Die symbolische Besetzung der Werften in Rostock, Warnemünde und Wismar sowie des Rostocker Dieselmotorenwerks war zuvor ausgesetzt worden.

Frank Teichmüller, Bezirksleiter der IG Metall Küste, konstatierte die Einflußlosigkeit der Landesregierung. Tatsächlich entschieden werde in Bonn. Der Gewerkschafter appellierte an das Parlament, statt für die Interessen der CDU/FDP-Koalition oder der Treuhand für die von Mecklenburg-Vorpommern einzutreten. Ministerpräsident Alfred Gomolka hätte mittlerweile allen Privatisierungsvarianten zugestimmt, sagte Teichmüller und forderte, Gomolka solle endlich auch seinem Rücktritt zustimmen. Der Landesbeauftragte des DGB, Peter Deutschland, bezeichnete die am Vortag verkündete Privatisierungsvariante als faulen Kompromiß.

SPD-Vize Wolfgang Thierse erklärte, der Markt allein könne die Probleme in den neuen Ländern nicht lösen, vielmehr mache er "unsozial und barbarisch" alles platt. Thierse verlangte eine staatliche Industriepolitik unter Anwendung von Erfolgsrezepten aus der alten Bundesrepublik sowie ein Gesamtkonzept für die Entwicklung der Werften und Industrie im nördlichsten neuen Bundesland.

Das Thema Werften wird zur gleichen Stunde als erster Tagungsordnungspunkt im Landtag Mecklenburg-Vorpommern beraten. Dazu haben auch mehrere Dutzend Werftarbeiter im Plenarsaal Platz genommen. In einem aktualisierten Antrag fordert die SPD die Landesregierung auf, gegenüber der Treuhand den Erhalt der Zwischenholding Hanse Schiffs- und Maschinenbau Gesellschaft mbH (HSMG) als Einheit anzumahnen. Die weiterhin zur Deutschen Maschinen- und Schiffbau AG gehörenden Unternehmen sollten von der Treuhandanstalt saniert, unternehmerisch weitergeführt und bis zur erfolgreichen Privatisierung in der DMS bleiben.

Die Entscheidung der Berliner Treuhandanstalt und der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern zur Lösung der Werftenkrise bezeichnete der SPD-Oppositionsführers im Schweriner Landtag, Harald Ringstorff, in einem Rundfunkinterview als einen politischen Kompromiß. Oberstes Gebot sei dabei der Erhalt der CDU/FDP-Koalition von Mecklenburg-Vorpommern gewesen, meinte Ringstorff am Mittwoch im Deutschlandfunk. Die Linie des liberalen Wirtschaftsministers habe sich voll gegen die Auffassung des CDU-Fraktion durchgesetzt. Der SPD-Politiker betonte, die Werftarbeiter fühlten sich von dieser Lösung verschaukelt.

Die PDS sprach am Mittwoch in einer Presseerklärung in Berlin ebenfalls von einem Kompromiß. Damit werde keines der grundlegenden Probleme der betroffenen Region tatsächlich gelöst. Generell notwendig seien standort- und zweigbezogene Entwicklungskonzepte der Treuhand sowie eine beschäftigungsorientierte Strukturpolitik, die die Modernisierung vorhandener Unternehmen mit neuen Dauerarbeitsplätzen verbinde.

111056 Mar 1992