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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 01.11.1992, 18:06 Uhr.

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ADN9027 4 pl 291

lth/pl/Kirchen/EKD-Synode/Schröder
Theologe Schröder: Bild von DDR-Kirchen in den Medien umgekippt

Suhl (dts Nachrichtenagentur/ADN-lth). Nach Auffassung des Theologen Richard Schröder ist das Bild von der evangelischen Kirche in der DDR infolge der "sensationsorientierten Hektik der Medien" umgekippt. "Erst als Mutter der Revolution gefeiert, was zuviel der Ehre war, wird sie nun als Stütze des Systems verdächtigt, was zweifellos zuviel der Schande ist", sagte er am Sonntag auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Suhl. Sein Referat sollte den Einstieg in die Diskussion über dieses Thema ermöglichen, das kurzfristig in die Tagesordnung der Synodaltagung aufgenommen worden war.

Die Verfassung der DDR habe der Kirche ungefähr die gleichen Rechte eingeräumt wie die der Weimarer Republik, sagte Schröder. Die SED habe sich jedoch nicht daran gehalten, und die Kirche habe ihre Rechte nirgends einklagen können. Zudem habe die SED bis in die 60er Jahre eine scharfe antikirchliche Propaganda betrieben. Der Konflikt zwischen den Kirchen und den Gruppen sei von daher ein Konflikt zwischen unterschiedlichen Generationserfahrungen. Die Frage, wer Recht hatte, sei sinnlos. "Die Vorsicht dort und die Risikobereitschaft hier waren beide so gerade recht." Er verweigere niemandem den Respekt, der sich gegen die DDR-Verhältnisse laut und kompromißlos aufgelehnt hat, betonte der Theologie-Professor. Er widerspreche jedoch allen, "die das nachträglich zum kategorischen Imperativ erklären möchten und so tun, als hätten wir es bloß mit Papiertiegern zu tun gehabt." Gespräche mit der Stasi seien gleichwohl "nichts Normales" gewesen. In welchem Ausmaße dieses Unnormale stattgefunden habe, lasse sich jetzt in Umrissen erkennen, da zwischen zwei und acht schwerwiegende Fälle je Landeskirche bekanntgeworden seien. Ein Schaden ist nach den Worten Schröders durch diese Enthüllungen bereits eingetreten. In den Medien sei der Eindruck entstanden, "die Kirche in der DDR sei von der Stasi erfolgreich gesteuert worden." Um dieses Bild aufzubrechen, empfahl Schröder, nicht nur die Stasi-Akten, sondern auch die des Staatssekretärs für Kirchenfragen zu lesen. Diese dokumentierten ständig Ärger und Unzufriedenheit der SED mit der evangelischen Kirche.

Das Thema Manfred Stolpe sparte Schröder ausdrücklich aus, da er in dieser Auseinandersetzung bereits öffentlich Partei ergriffen hatte.

tko/tli

011706 Nov 1992