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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 07.09.1992, 17:46 Uhr.

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ADN8030 4 pl 352

lsc/pl/Arbeitskampf/Edelstahlwerke/Freital
(Überholt ADN8021 pl 15:30) Tausende Metallurgen und Freitaler demonstrierten für schnelle Privatisierung - Treuhandentscheidung für Dienstag erwartet

Freital (dts Nachrichtenagentur/ADN-lsc). Etwa 5.000 Metallurgen der Sächsischen Edelstahlwerke GmbH, Freital, und ihres Betriebsteils im erzgebirgischen Lugau forderten am Montagnachmittag gemeinsam mit Einwohnern eine schnelle Entscheidung zum Erhalt des Industriestandortes. Während einer Demonstration vor dem Rathaus der Stadt hatten sie den amtierenden Bürgermeister von Freital, Klaus Pollack, dazu bewogen, telefonisch entweder mit Sachsens Ministerpräsident Prof. Kurt Biedenkopf oder der Berliner Treuhandchefin Birgit Breuel auf die am (morgigen) Dienstag erwartete endgültige Entscheidung zur Zukunft des Edelstahlunternehmens Einfluß zu nehmen. Das gelang jedoch nicht.

Die Demonstranten verliehen angesichts der bevorstehenden Vorstandssitzung der Regierung des Freistaates und der Treuhandanstalt (THA) in Berlin ihrem Unmut über die Langwierigkeit des Privatisierungsprozesses Ausdruck. Nachdem das im Juli dieses Jahres gemeinsam mit der "Neuen Maxhütte" im oberpfälzischen Sulzbach/Rosenberg erarbeitete sowie von THA und sächsischer Regierung befürwortete Konzept seitens der bayerischen Staatsregierung - sie ist zu 45 Prozent Eigentümer der Stahlhütte - mittlerweile als "finanziell nicht machbar" abgelehnt wurde, sehen die Edelstahlwerker nun in einem Management-Buy-Out ihre Zukunft, erklärte Betriebsratsvorsitzender Peter Welzel auf ADN-Anfrage.

Die neuen - und wahrscheinlich letztmöglichen - Vorstellungen basieren auf der Privatisierung des Unternehmens durch Geschäftsführung und Aufsichtsratsvorsitz der Edelstahlwerke GmbH. Wie weiter verlautete, sei es der Treuhandanstalt unterdessen lieber, die Edelstahlwerke GmbH zu liquidieren, denn das sei billiger als sie zu sanieren.

Wie Welzel weiter informierte bleiben trotz nicht zustandegekommener Fusion mit dem bayerischen Stahl-Unternehmen "Neue Maxhütte" damals vereinbarte "sinnvolle Effekte" bestehen. So könne das Edelstahlwerk dem bayerischen Partner jährlich 120.000 Tonnen ihrer 450.000 Tonnen umfassenden Jahresproduktion abnehmen, womit die Metallurgen dort volle Auftragsbücher hätten und die Freitaler nicht so hoch investieren müßten. Das würde dem Betriebsrat zufolge die Sicherung des Stahlstandortes sowie eine Beschäftigtenzahl von 1.400 Arbeitnehmern bedeuten. Das letzte Sanierungskonzept sah von den gegenwärtig etwa 2.100 Beschäftigten noch 1.800 vor, die Investitionskosten betragen 172 Millionen Mark. Dieses Konzept wird nach den Worten Welzels schon längere Zeit von der THA geprüft, jedoch ist bisher noch keine definitive Entscheidung gefallen.

Der von Betriebsrat und IG Metall organisierten Demonstration vor dem Büro des Bürgermeisters ging am selben Tag eine öffentliche Belegschaftsversammlung voraus.

dne/dwk

071546 Sep 1992