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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 11.07.1992, 10:03 Uhr.

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Deutschland/Jugoslawien/Bundeswehr
(Überblick) Streit um Bundeswehreinsatz im ehemaligen Jugoslawien hält an - Kinkel dringt auf deutsche Blauhelm-Beteiligung - SPD droht mit Gang nach Karlsruhe

Berlin (dts Nachrichtenagentur/ADN). Regierung und SPD-Opposition streiten weiterhin um die Frage einer Bundeswehrbeteiligung an einem europäischen Militäreinsatz im ehemaligen Jugoslawien. Während Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) auf deutsche Blauhelmeinsätze im Bürgerkriegsgebiet dringt, haben die Sozialdemokraten die Bundesregierung vor einem nach ihrer Ansicht verfassungswidrigen Einsatz von Bundeswehr-Soldaten gewarnt und erneut mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gedroht.

Die Deutschen können auf Dauer nicht beiseite stehen, wenn es ernst wird in der internationalen Politik, sagte Kinkel der "Leipziger Volkszeitung". "Wir müssen auch mal mitlöschen und können nicht immer nur die Feuerwehr bezahlen". Das größer gewordene Deutschland müsse auch seiner Verantwortung gerecht werden. "Die anderen sehen schon sehr genau darauf, ob und wie wir mitmachen können oder wo wir beiseite stehen müssen wegen unserer Verfassung", sagte der Außenminister. Mit Blick auf mögliche verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber solchen Einsätzen drängt der FDP-Politiker auf eine schnelle und klare Regelung.

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Hans-Ulrich Klose, hat die Regierung gewarnt, wenn sie versuche, "schleichend an der Sache vorbei" neue Sachverhalte zu schaffen, bleibe den Sozialdemokraten keine andere Möglichkeit, als das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Wenn die Regierung neue Bündnisverpflichtungen übernehmen wolle, müsse sie mit ihren Vorschlägen vor das Parlament treten, so Klose in einem ARD-Interview. Die SPD sei zwar bereit, den Einsatz von Bundeswehr-Soldaten bei Blauhelm-Aktionen zu unterstützen, jedoch müsse zuvor eine "verfassungsrechtliche Klarstellung" erfolgen. Ein entsprechender Änderungsantrag der SPD zum Grundgesetz liege im Bundestag vor. Für Kampfeinsätze der Bundeswehr sei die SPD jedoch nicht zu haben.

Auch der SPD-Verteidigungsexperte Norbert Gansel hat sich gegenüber dem ZDF erneut nachdrücklich gegen eine deutsche Beteiligung an internationalen Militäreinsätzen in Jugoslawien ausgesprochen. Deutschland sollte sich vielmehr auf die humanitäre Hilfe konzentrieren. Die Arbeit der deutschen Soldaten bei diesen Einsätzen dürfe nicht durch "scharfmacherische Töne und Säbelrasseln" durch Verteidgungsminister Volker Rühe (CDU) und Außenminister Klaus Kinkel behindert werden, sagte Gansel.

Hingegen forderte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl Lamers, eine deutsche Beteiligung an Maßnahmen der UNO und der KSZE, die über "das Ausstellen von Schecks hinausgehen". Die von Kinkel vorgeschlagene Entsendung von Marinefliegern wäre "eine wichtige Entscheidung." Lamers warnte jedoch vor einem "Einsatz deutscher Soldaten auf WEU-Schiffen. Einen solchen Entschluß muß die Regierung genau prüfen. Bundeswehrtruppen dürfen in keine Kämpfe verwickelt werden".

110803 Jul 1992