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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 09.04.1992, 17:32 Uhr.

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Bosnien-Herzegowina/Papst/Situation
(Abendüberblick) Päpstliche Botschaft an bosnischen Präsidenten - Europaparlament will UN-Friedenstruppe in der Vielvölkerrepublik - Kämpfe gehen weiter

Sarajevo/Rom/Straßburg (dts Nachrichtenagentur/ADN). In der vom offenen Bürgerkrieg bedrohten ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina hat sich die Situation am Donnerstag weiter zugespitzt. Der Vatikan äußerte sich am selben Tag äußerst besorgt über die zunehmende Gewalt in der Vielvölkerrepublik. In einer von Staatssekretär Kardinal Angelo Sodano verfaßten Botschaft an Präsident Alija Izetbegovic heißt es, Papst Johannes Paul II. versichere das bosnische Staatsoberhaupt seiner "uneingeschränkten Unterstützung".

Die Republik war am Donnerstag ungeachtet des tags zuvor verhängten Ausnahmezustandes wieder Schauplatz erbitterter Auseinandersetzungen, in die zunehmend die jugoslawische Bundesarmee involviert ist. In Mostar (Herzegowina) eröffneten kroatische und moslemische Milizen Tanjug zufolge Granatfeuer auf Einheiten der Volksarmee (JNA). Diese hätten "in Selbstverteidigung" zurückgeschossen, hieß es bei der Agentur. Gefechte wurden auch vom Flughafen der Stadt gemeldet.

Mehrere Menschen kamen bei anhaltender Bombardierung der im Nordosten Bosniens gelegenen Stadt Zvornic ums Leben. Radio Sarajevo berichtet unter Berufung auf einen Arzt des örtlichen Hospitals, mit den Bombenangriffen durch die Bundesarmee sei in der Stadt praktisch der Krieg ausgebrochen. Unbestätigten Berichten zufolge soll sich Zvornic inzwischen in der Hand serbischer Milizen befinden.

Kupres, seit Tagen umkämpft, lag ebenfalls wieder unter Artilleriefeuer. Die herzegowinische Stadt befindet sich seit Mittwoch unter Kontrolle der Bundesarmee. Tanjug veröffentlichte unterdessen einen JNA-Bericht, wonach im mehrheitlich von Serben bewohnten Kupres in den zurückliegenden Tagen 28 Angehörige der gegen die Unabhängigkeit der Republik kämpfenden ethnischen Minderheit auf "brutalste Weise" ermordet worden sein sollen.

Das Europaparlament in Straßburg forderte am Donnerstag eine Ausweitung des Mandats der UNO-Friedenstruppen in Kroatien auf Bosnien-Herzegowina. Nur so, hieß es in einer Erklärung, könne der Bürgerkrieg dort verhindert werden.

Der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen im Jugoslawien-Konflikt, Cyrus Vance, erklärte, die Anerkennung Bosniens durch die Europäische Gemeinschaft und andere Staaten habe "wachsende Instabilität" in der Region gefördert. In Hongkong sagte Vance laut Reuter gegenüber Journalisten, er könne einen Krieg in Bosnien nicht ausschließen. Dann könne nur noch Gott Europa helfen, meinte Vance.

091532 Apr 1992