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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 22.01.1992, 05:15 Uhr.

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Presse/Justiz/RAF
"Süddeutsche Zeitung" (München) zu Ermittlungen im Herrhausen-Mord

Für die bei der Terrorismusverfolgung bislang glücklosen Ermittlungsbehörden ist die Präsentation eines Kronzeugen gegen die Mörder Alfred Herrhausens gewiß ein Erfolgserlebnis. Daß dies die Zerschlagung der Roten Armee Fraktion einleiten könnte, weil sie sich "nicht mehr wie bisher völlig auf ihre Unterstützer verlassen" könne - so verkündet es ein früherer Chef des Verfassungsschutzes -, bleibt allerdings ein Wunschgedanke. Allein die Tatsache, daß Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt die Existenz eines Kronzeugen bekanntmachen - gut ein halbes Jahr, nachdem sich dieser dem Verfassungsschutz anvertraut hatte -, ist ein Zeichen dafür, daß dessen Aussagen ohne weitere Hinweise aus der Bevölkerung nicht mehr weiterführen. Zwar mag zutreffen, daß bei der heute aktiven Generation in der RAF, die möglicherweise als "Feierabendterroristen" ihre Anschläge verübt, der Zusammenhalt und die ideologischen Bindungen abgenommen haben. Andererseits sind auch in der Vergangenheit Belastungszeugen wider die RAF aufgetreten mit, wie der Fall Gerhard Müllers belegt, rechtsstaatlich fragwürdigen Konsequenzen. Auch zwanzig Jahre nach ihrer Gründung kann die RAF neue Mitglieder immer noch mit dem Verweis auf die vorgeblich unmenschlichen Haftbedingungen ihrer gefangenen Genossen rekrutieren. Der größte Erfolg gegen die RAF ist demnach von der Zerschlagung ihrer Mythen zu erwarten. Eine Koalition aus Politikern und Ermittlern unter Führung von Justizminister Kinkel hat diese Erkenntnis gerade erst öffentlich gemacht und einen neuen Kurs der Verständigung gefordert. Vom Weg, den diese eingeschlagen hat, darf die langerwartete heiße Spur im Fall Herrhausen nicht ablenken.

220415 Jan 1992