[zurück zur Suche]

 

Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 26.08.1993, 20:33 Uhr.

Die dts Nachrichtenagentur hält die umfangreichen Nutzungs- und Verwertungsrechte. Bei Fragen zu Sondernutzungsrechten oder Lizenzierung wenden Sie sich an unseren Vertrieb.

 

ADN0163 4 pl 290

Presse/Frankreich/Deutschland
"Frankfurter Allgemeine Zeitung"

"block oder partner es liegt eine menge ernst ueber dem deutsch-franzoesischen verhaeltnis. ernst gemeint ist das bemuehen des bundeskanzlers, auch im neuen muster der weltpolitik die sonderstellung der deutsch-franzoesischen beziehungen nicht zu gefaehrden. ernst zu nehmen sind aber auch die schwierigkeiten, die es zu meistern gilt, wenn die partner zum akkord zurueckfinden wollen. der brisanteste konfliktstoff steckt in einem kuerzel, das ueblicherweise den arbeitsgespraechen der handels- und agrarexperten von regierungen vorbehalten bleibt: gatt - die weltumspannende verhandlungsrunde im allgemeinen zoll- und handelsabkommen. vordergruendig geht es darum, dass die franzoesische regierung - da gibt es zwichen mitterrand und balladur keinen unterschied - sich nicht traut, den bauern hoehere agrareinfuhren aus laendern ausserhalb der gemeinschaft zuzumuten. das ist der altgewohnte hang zum agrarprotektionismus. schon der waere gravierend genug, um unter freunden ein streitpunkt zu sein. doch es geht um mehr. was sich wie ein disput ueber baeuerliche einkommen, weizenimport und rindfleischquoten ausmacht, das bedeutet in wahrheit eine tiefreichende meinungsverschiedenheit ueber die rolle und die position europas in der welt: soll die europaeische gemeinschaft eine sich oekonomisch selbst genuegende gegenmacht zu anderen bloecken sein - zu amerika und asien vor allem? oder sieht sich europa in einer politisch und wirtschaftlich offenen welt als partner von handelsraeumen, die durch amerika und asien gepraegt werden, die sich aber nicht als bloecke darbieten, wenn europa sie nicht dazu zwingt? die franzosen neigen - seit der gruendung der gemeinschaft - immer wieder zur ersten version, die deutschen zur zweiten. in der zeit des kalten krieges hat die transatlantische sicherheitspartnerschaft die deutsche auffassung beguenstigt. nun aber, da die verantwortlichkeiten neu zu bedenken und zu verteilen sind, brechen die meinungsverschiedenheiten ueber die rolle europas wieder auf. die deutschen sind in einer schwierigen lage: gerade jetzt, da neuer nationalismusverdacht aufkommt, wollen sie sich als gute europaeer beweisen. aber unter den europaeern sind sie - neben den englaendern - doch auch die beflissensten atlantiker. europa - block oder partner? die frage muss nun beantwortet werden."

jor

261833 Aug 1993