Presse/Renten
"Berliner Morgenpost"

"die rentner im osten erhalten zum jahresanfang 1994 etwas mehr geld, die beitragszahler in west wie ost werden gleichzeitig kraeftig zur kasse gebeten. das war vorauszusehen und vom zustaendigen arbeitsminister norbert bluem schon angekuendigt worden. dennoch macht der vorgang besonders deutlich, dass die sozialpolitik mit ihrem latein am ende ist. es gibt eigentlich nichts mehr umzuverteilen, dennoch wird weitergemacht wie in den alten guten zeiten.

die erhoehung der beitraege passt - noch dazu im zusammenhang mit der gleichfalls fuer anfang 1994 vorgesehenen pflegeversicherung - wie die faust aufs auge in der gegenwaertigen wirtschaftlichen landschaft. hier werden arbeitnehmer und arbeitgeber kraeftig abgezockt, die sich schon durch einkommens- und gewinnverluste als folge der schlechten wirtschaftslage in die enge getrieben sehen.

wer soll denn da noch lust bekommen, die konjunktur wieder durch eigene anstrengungen anzuschieben? bei den rentenbeitraegen kommt erschwerend hinzu, dass die beitragsbemessungsgrenze von 7.200 auf 7.600 dm angehoben wird. experten haben ausgerechnet, dass die hoeheren einkommen im naechsten jahr zusaetzlich mit rund 250 dm je monat belastet werden.

der bonner hinweis, der neue beitragssatz in der rentenversicherung liege fast genau dort, wo er schon 1989 vor dem boom durch die wiedervereinigung schaetzungsweise angesetzt worden war, ist reine schoenfaerberei. an der tatsache, dass die sozialkassen bei der deutschen vereinigung ueber gebuehr strapaziert worden sind, fuehrt kein weg vorbei. wenn die finanzierung des aufbaus im osten ueber den staatshaushalt gelaufen waere, muesste bluem jetzt nicht in die taschen der arbeitnehmer und arbeitgeber greifen - beamte und selbstaendige sind wieder einmal nicht betroffen.

auf dem verschiebebahnhof der sozialkassen sind alle weichen blockiert. war nicht urspruenglich geplant, die beitraege in der arbeitslosenversicherung wieder zu senken, wenn fuer die renten mehr verlangt werden muss? das waere fuer die arbeitnehmer einkommensneutral gewesen. so war es zuletzt umgekehrt noch gelaufen. jetzt geht nichts mehr."

adn

141950 Oct 1993