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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 15.12.1993, 21:30 Uhr.

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ADN0242 4 pl 294

Presse/Nordirland
"Berliner Morgenpost"

"die londoner friedensdeklaration fuer nordirland steckt voller guter absichten und demokratischer grundsatzerklaerungen. aber eine politische loesung des nordirland-problems enthaelt sie noch nicht. der harte kern der vereinbarung besteht aus einem angebot an terroristen. wenn die ira drei monate lang eine totale waffenruhe einhaelt, darf sich ihr politischer fluegel direkt an politischen verhandlungen beteiligen. selbst das ist ein schritt, der bisher als undenkbar galt. unter margaret thatcher waere er nicht moeglich gewesen. und auch john major hatte noch im herbst behauptet, ihm drehe sich der magen um, wenn er daran denke, mit terroristen verhandeln zu muessen. london hat also zu einem riesenschritt angesetzt. der regierungschef der republik irland, albert reynolds, hat seinerseits zugestanden, dass jede aenderung in nordirland immer nur durch demokratische mehrheiten zustande kommen darf. die briten verstehen darunter das recht der nordirischen bevoelkerung, in den eigenen grenzen abzustimmen. das aber garantiert den protestanten, die britisch bleiben wollen, den sieg in jeder abstimmung. wenn dagegen die bevoelkerung der gesamten irischen insel gemeinsam abstimmte, waeren die irisch-katholischen waehler in der ueberzahl. diese mehrheitsverhaeltnisse sind der wahre grund aller probleme auf der insel. hinzu kommt: die irische republik, die sich 1922 von england trennte, hat ein wiedervereinigungsgebot sogar als artikel 2 in ihre verfassung geschrieben. die terroristen der ira, die fuer die wiedervereinigung kaempfen, behaupten daher, sie kaempften fuer die erfuellung des verfassungsauftrags. die londoner friedensdeklaration enthaelt keinen vorschlag, wie diese komplizierten fragen zu loesen sind. von der protestantischen bevoelkerung nordirlands wurde sie deshalb mit groesster skepsis aufgenommen: man hat angst, an die irische republik 'verkauft' zu werden. gemeint war die ira. noch kein friede also in ulster. aber die politiker haben nach einem vierteljahrhundert mit inzwischen 3122 toten wenigstens einen anfang gemacht. wenn alle beteiligten die guten absichten dieser deklaration aufnehmen, kann die arbeit am frieden nun beginnen. trotz aller hoffnung auf ein friedliches weihnachtsfest weiss die bevoelkerung der unruheprovinz und ganz irlands: es wird wohl noch lange dauern, bis die arbeit geleistet ist."

ddp/ADN

152030 Dec 1993