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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 02.10.1993, 10:57 Uhr.

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ADN2025 4 pl 290

Einheit/De Maiziere
De Maiziere: Ostdeutsche dürfen nicht resignieren

Magdeburg (dts Nachrichtenagentur/ADN). Nach Aufassung des letzten Ministerpräsidenten der DDR, Lothar De Maiziere, sollten die Ostdeutschen aufhören, "ständig resignativ die Situation zu beklagen". "Sie müssen endlich auch wollen und zupacken", sagte er am Sonnabend in einem ADN-Gespräch. Noch immer beherrsche ihn ein Gefühl der Genugtuung und der Freude, daß der Einigungsprozeß in Freiheit und innerem Frieden erreicht worden sei.

Allerdings sei 1990 nicht zu erkennen gewesen, daß die Schwierigkeiten mit der deutschen Wiedervereinigung eine solche Größe einnehmen würden, räumte De Maiziere ein. Er stelle sich heute die Frage, was er in der Zeit der Einigung hätte besser machen können. Mit Blick auf die östlichen Nachbarländer und die GUS stellte der CDU-Politiker fest: "Offensichtlich ist der Transformationsprozeß nicht problemlos zu bewältigen."

De Maiziere gestand ein, bei der deutschen Wiedervereinigung "einige schwerwiegende Bereiche nicht richtig erkannt zu haben", so die Eigentumsproblematik, die zu schweren soziologischen Verwerfungen geführt habe und auch verwaltungsmäßig kaum zu beherrschen sei. Außerdem habe man der Frage der Altersversorgung nicht die nötige Aufmerksamkeit zugewandt. Dadurch seien Ungerechtigkeiten entstanden, die den betroffenen Menschen das Gefühl vermitteln, sie hätten ihr Leben vertan.

Dem Rauschzustand der Wiedervereinigung sei eine Phase der Ernüchterung gefolgt, "der einem dann auch das Gehirn verkleistert hat". Es sei gut, "daß wir wieder ernüchtert sind", sagte der Ex-Premier. Er forderte die Politiker in Bonn auf, nach neuen Wegen zu suchen. Einer der wichtigsten Schritte sei dabei die "Durchlüftung des deutschen Verwaltungsrechts". Der Weg von einer Investitionsentscheidung bis zur Grundsteinlegung in den neuen Bundesländern von mehr als zwei Jahren sei entschieden zu lang.

Die Einrichtung der Treuhandanstalt "abseits von der Politik" ist nach Auffassung De Maizieres richtig gewesen. Die Berliner Behörde habe jedoch eine zu schnelle Gangart eingeschlagen, wodurch die 16.000 Betriebe zu billig verkauft wurden. Das habe dazu geführt, daß die Betriebe nicht als produzierende Einheit betrachtet wurden, "sondern nach der Freisetzung der dort Tätigen als Immobilienverwertungsgesellschaft". Dieser Trend werde nicht entschieden bekämpft.

lsa/mgo/mge

020957 Oct 1993