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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 22.05.1993, 15:10 Uhr.

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Handball/Frauen/Kittler
Die nebulöse Zwischenstation Neubrandenburg - Katja Kittler skeptisch im Hinblick auf die Handball-WM

-- Von Hans Moritz --

Neubrandenburg (dts Nachrichtenagentur/ADN). Der Ausgang des traditionellen Frauen-Handballturniers von Neubrandenburg ist für Katja Kittler zweitrangig. Die 25jährige, spielintelligent und wurfgewaltig, verzückte mit ihrem Auftreten diesmal weder Trainer noch Publikum. Auch nicht sich selbst. "Ja, ich glaube, daß man mir das anmerkt. Es ist einfach Frust. Das Turnier ist so gut besetzt, und wir sind darauf, glaube ich, schlecht vorbereitet. Kaum hartes Training, keine Taktik-Übung. Wie sollen wir da Rußland schlagen, wenn die sich einfach an den Kreis stellen?"

Diese Kritik trifft nicht unbedingt Auswahlcoach Lothar Doering. Von dem Leipziger spricht die Rückraumspielerin aus Lützellinden in den höchsten Tönen. Katja Kittler kann vergleichen wie keine andere. Schließlich hat sie als einzige in drei deutschen Nationalmannschaften gespielt: 34mal für die ehemalige DDR, achtmal für die "alte" Bundesrepublik und nun 16mal für das gesamtdeutsche Team.

"Die Stimmung in der Mannschaft ist toll, besser könnte es gar nicht sein", schwärmt Katja. Doch zwischen Spielerinnen und Management liege einiges im Argen. "Derzeit kann ich für die Auswahl einfach kein Konzept erkennen." Der Weltmeisterschaft Ende des Jahres in Norwegen, wo eine Medaille für die deutsche Mannschaft ein Muß ist, sieht die großgewachsene ehemalige Rostockerin skeptisch entgegen.

"Noch ist zwar ein halbes Jahr Zeit, doch Neubrandenburg stellte auch nach Aussage von Lothar Doering den letzten großen Härtetest dar. Die Zeit des Experimentierens ist vorbei, und die anstehende Vorbereitung im Sommer soll vorwiegend zum Einspielen des feststehenden Kaders dienen. Beispielsweise der Kanada-Trip in den letzten beiden Juni-Wochen, der Katja Kittler um den ersten Einsatz in einer Europa-Auswahl bringt.

"Diese Geschichte kenne ich auch nur aus der Presse", sagt die Bankkauffrau aus Gießen. "Ich weiß nur, daß ein ehemaliger rumänischer Nationaltrainer eine Europa-Auswahl formiert hat, die Ende Juni in Polen spielen soll. Da bin ich wohl als einzige Deutsche nominiert. Toll ist das schon, und ich hätte mich auch sehr darauf gefreut. Aber deswegen werde ich nicht extra von Kanada für einen Tag nach Polen fliegen. Außerdem habe ich noch keine offizielle Einladung bekommen."

Auf Kanada freut sich Katja Kittler nach einer "unendlichen und viel zu langen Saison", in der sie mit dem TV Lützellinden schon Meisterschaft und Europapokal holte und auch im nationalen Cup-Wettbewerb im Halbfinale steht. "Dort ist das freie Angriffsspiel, was wir in Neubrandenburg praktizieren sollten, sicher am rechten Platz." Die Vorbereitung auf den Trip über den Teich erwartet sie recht locker. So wie vor Neubrandenburg, als Lothar Doering den getreßten Mädchen kein hartes Training aufbürden wollte. "Doch wie sollen wir Rußland oder Rumänien schlagen, ohne daß wir uns darauf richtig vorbereiten?. Ich bin ja sehr für die Ruhe, aber in Anbetracht dieser wichtigen Tests hätte ich darauf gern bis nach Neubrandenburg gewartet."

eia/kho

221310 May 1993