[zurück zur Suche]

 

Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 15.08.1993, 12:34 Uhr.

Die dts Nachrichtenagentur hält die umfangreichen Nutzungs- und Verwertungsrechte. Bei Fragen zu Sondernutzungsrechten oder Lizenzierung wenden Sie sich an unseren Vertrieb.

 

ADN1019 4 pl 397

bln/pl/Umzug
(Zusammenfassung) Kohl für raschen Umzug nach Berlin - Villa Borsig als Repräsentanz des Kanzlers vorgesehen - Deutsche Spitzenverbände zögerlich

Berlin (dts Nachrichtenagentur/ADN-bln). Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hat sich am Sonntag für einen raschen Umzug von Parlament und Regierung nach Berlin ausgesprochen. Zudem will er möglichst bald ein eigenes Domizil in der Hauptstadt beziehen. Nach Informationen der "Berliner Morgenpost" (Sonntagausgabe) laufen derzeit in Bonn und Berlin beschleunigte Vorbereitungen für die Umgestaltung der Villa Borsig am Tegeler See als vorläufige Repräsentanz des Kanzlers in Berlin.

In einem Interview der ZDF-Sendung "Bonn direkt" sagte Kohl am Sonntag, er sei strikt dafür, sich an den Berlin-Beschluß des Bundestages zu halten und die notwendigen Voraussetzungen für den Vollzug des Beschlusses zu schaffen. Dabei müsse nicht alles, was als Zielsetzung vorliege, perfekt erfüllt werden. Im Zeitalter knapper Kassen müsse man auch Ja zu Übergangslösungen sagen können.

Wie die "Berliner Morgenpost" schreibt, drängt Kohl bereits im Vorgriff auf den Umzug von Parlament und Regierung an die Spree. Dies sei der Zeitung sowohl aus Kanzleramts- wie aus Berliner Senatskreisen bestätigt worden. Für die deutsche Stiftung für internationale Entwicklung (DSE), die derzeit noch in der Villa Borsig residiert, werde bereits nach einem Ausweichquartier gesucht. Das Bundesfinanzministerium erteilte der Oberfinanzdirektion Berlin einen Prüfauftrag, für die DSE innerhalb Berlins nach einem neuen Standort zu suchen. Auch im Bonner Entwicklungshilfeministerium, dem die DSE angeschlossen ist, werde man dem Kohl-Plan "keine Steine in den Weg legen", wie ein Sprecher dem Blatt versicherte.

Vor einem Einzug des Kanzlers müsse der ehemalige Stammsitz der Berliner Fabrikantenfamilie Borsig jedoch noch umgebaut werden. Dabei seien vor allem Sicherheitsauflagen zu beachten, hieß es in Bonn. Das riesige Grundstück grenze mit drei Seiten ans Wasser und sei schwer kontrollierbar. Kohl selber wolle nicht in der großen Villa, sondern künftig im Gartenhaus wohnen. Das repräsentative Hauptgebäude solle für politische Konsultationen und Gäste benutzt werden, damit der Bundeskanzler in Berlin auch Regierungsgeschäfte tätigen kann. Als Kanzleramt sei die Villa Borsig jedoch nicht vorgesehen.

Eher zögerlich verhalten sich in der Umzugsdiskussion dagegen viele der deutschen Spitzenverbände. Laut einer Umfrage der "Berliner Morgenpost" (Sonntagausgabe) unter 73 dieser insgesamt rund 1.480 Organisationen will nur jede dritte in der Bundeshauptstadt Quartier nehmen. 20 haben nicht die Absicht, ihren Sitz zu verlegen. Bei weiteren 22 ist dies fraglich oder kein Thema.

Nur für vier Verbände stehe bisher 1998 als Umzugstermin fest, berichtet das Blatt. Auf dieses Datum geeinigt hätten sich die Bundesvereinigung Arbeitgeberverbände (Köln), der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (Wiesbaden), der Bundesverband Luft- & Raumfahrtindustrie (Bonn) sowie der Zentralverband des Deutschen Handwerks (Bonn). Rund ein Dutzend will sich "der Karawane anschließen", bezweifle aber, daß es 1998 losgeht. Mindestens sechs Verbände liebäugeln mit Brüssel oder der Nähe zum europäischen Verwaltungszentrum.

chs/cel

151034 Aug 1993