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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 31.07.1993, 15:57 Uhr.

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RAF
(Zusammenfassung) Hogefeld wird in Kürze verhört - Bundesanwaltschaft ermittelt gegen V-Mann - Auch Verfassungsschutz soll Steinmetz kontrolliert haben

Schwerin/Hamburg/München (dts Nachrichtenagentur/ADN). Die bei der Anti-Terror-Aktion im mecklenburgischen Bad Kleinen festgenommene mutmaßliche Terroristin Birgit Hogefeld soll in Kürze von der Schweriner Staatsanwaltschaft vernommen werden. Der genaue Zeitpunkt und der Ort würden nicht bekannt gegeben, sagte Oberstaatsanwalt Ernst Jäger am Samstag dem ADN. Hogefeld war während der Aktion vor fünf Wochen gemeinsam mit dem früheren V-Mann des Mainzer Verfassungsschutzes, Klaus Steinmetz, festgenommen worden.

Steinmetz war bereits am Freitag als Zeuge vernommen worden. Dabei hatte er die seine gemeinsame Festnahme mit Hogefeld in der Bahnunterführung bestätigt. Derweil sei Wolfgang Grams die Treppe zum Bahnsteig hinaufgelaufen. Die Ereignisse auf dem Bahnsteig habe er nicht sehen können. Er habe einen Schußwechsel gehört, der dann abgebrochen sei.

Bisher sind zum Fall Bad Kleinen bereits über 110 Zeugen von der Schweriner Staatsanwaltschaft vernommen worden, betonte Jäger weiter. Über den Zeitpunkt des geplanten "Nachstellens" der Aktion im Rahmen der Ermittlungstätigkeit wollte sich Jäger nicht äußern.

Dem V-Mann muß sich nun möglicherweise gar wegen dem Nichtanzeigen eines geplanten Verbrechens verantworten. Wie das Münchner Nachrichtenmagazin "Focus" berichtet, ermittelt die Bundesanwaltschaft in dieser Sache gegen Steinmetz. Dieser soll vorab über den Anschlag auf den hessischen Gefängnisneubau in Weiterstadt informiert gewesen sein, hatte nach Angaben des Mainzer Innenministers Walter Zuber (SPD) sein Wissen aber erst nach der Anti-Terror-Aktion in Bad Kleinen den Behörden offenbart. Steinmetz drohe im Fall der Verurteilung eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren.

Die Anti-Terror-Experten des Bundesamtes für Verfassungsschutz sind über den V-Mann, der als erster V-Mann in den harten Kern der RAF hatte vordringen können, offenbar weitgehend unterrichtet gewesen. Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner neuesten Ausgabe berichtet, habe der Verfassungsschutz mehrfach im Rahmen einer von der zuständigen Kontrollkommission genehmigten Operation das Telefon von Steinmetz abgehört und dessen Post kontrolliert. Darüber seien die rheinland-pfälzischen Verfassungsschützer, obwohl für die Betreuung des V-Mannes zuständig, nur unzureichend unterrichtet worden. Nun stelle sich dringender denn je die Frage, schreibt "Der Spiegel" weiter, ob die Sicherheitsbehörden den Bombenanschlag auf den Gefängnisneubau in Weiterstadt am 27. März in Kauf genommen haben, um ihren Top-Spitzel nicht zu gefährden.

Steinmetz hat nach Angaben des "Spiegel" schon drei Monate vor dem ersten Treff mit der mutmaßlichen Terroristin Birgit Hogefeld zwei RAF-Angehörige im französischen Metz getroffen, von denen einer der Kommandoebene zugerechnet werde. Das RAF-Mitglied werde verdächtigt, an den Mordanschlägen auf den Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, 1989 und den Treuhandchef Karsten Rohwedder 1991 beteiligt gewesen zu sein.

Nach neuen Erkenntnissen des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich, der die Todesumstände von Wolfgang Grams untersucht, sei ein im Schotter des Bahnhofs von Bad Kleinen gefundenes, in zwei Teile zerfetztes Projektil aus der Grams-Waffe "zwanglos einem Kopfschuß im Liegen zuzuordnen", schreibt "Der Spiegel" weiter. Den Ermittlern erscheine inzwischen zweifelhaft, ob je geklärt werden könne, wer der Todesschütze war. Die Schweriner Staatsanwaltschaft wies dies zurück. "Wir wollen die Wahrheit herausbekommen und werden nicht resignieren", sagte Oberstaatsanwalt Jäger dem ADN. Er gehe davon aus, so Jäger, "daß wir es schaffen".

stu

311357 Jul 1993