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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 06.07.1993, 13:17 Uhr.

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Aserbaidschan/Armenien/Karabach
Keine Ende des Krieges in Nagorny Karabach in Sicht - Friedenshoffnungen erlitten schweren Rückschlag - KSZE-Missionär sagte Verhandlungsreise ab

--von ADN-Korrespondent Eckard Wuttig--

Moskau (dts Nachrichtenagentur/ADN). Die Hoffnungen auf eine friedliche Regelung des jahrelangen Konflikts zwischen Aserbaidschan und Armenien um die Kaukasusregion Nagorny Karabach haben einen weiteren schweren Rückschlag erlitten. KSZE-Missionär Mario Raffaelli sagte eine Reise in die Krisenregion zu Verhandlungen mit den verfeindeten Parteien kurzfristig ab. Als Vorwand dienten neue erbitterte Kämpfe zwischen armenischen und aserbaidschanischen Truppen. Nach Ansicht Raffaellis sind auf Grund der zugespitzen Lage gegenwärtig keine Bedingungen für die Tätigkeit einer KSZE-Abordnung gegeben.

Geharnischte Kritik am Verhalten Raffaellis kam vor allem aus Aserbaidschan. Der neue Machthaber in Baku, Parlamentschef Geidar Alijew, beschuldigte die KSZE, die Kaukasusrepublik "im Kampf gegen den armenischen Aggressor im Stich lassen zu wollen". Alijew nutzte die Gelegenheit, um auch den Führungen Rußlands, der USA und der Türkei "mangelnde Entschlossenheit" vorzuwerfen. Diese Länder hatten mehrmals versucht, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Die Leidtragenden des politischen Hickhacks sind wie immer die einfachen Menschen. Schätzungen zufolge hat der seit 1988 tobende Krieg tausende Opfer gefordert, die meisten sind Frauen, Kinder und Greise. Zehntausende sind vor den Kämpfen geflüchtet. Die genaue Zahl der Toten und Flüchtlinge kennt niemand.

Die Ursachen für den seit über fünf Jahren währenden Krieg zwischen den christlichen Armeniern und den moslemischen Aserbaidschanern reichen weit in die Vergangenheit. Das Kaukasusgebiet zwischen Osteuropa und Vorderasien war oftmals Ausgangspunkt von Kriegen und Eroberungszügen. Nur wenige Fürstentümer der Region, darunter auch das rund 4.000 Quadratkilometer große Nagorny Karabach, konnten sich eine relative Selbständigkeit bewahren. Nach dem russisch-persischen Krieg von 1803 bis 1813 fielen das islamische Nord-Aserbaidschan und Karabach an das russische Zarenreich. Am 7. Juli 1923 erhielt Nagorny Karabach, das mehrheitlich von Armeniern besiedelt ist, den Status eines autonomen Gebietes innerhalb der 1922 gegründeten Transkaukasischen Föderativen Sowjetrepublik, der Armenien, Aserbaidschan und Georgien angehörten.

Nach deren Auflösung 1936 wurde Karabach der Unionsrepublik Aserbaidschan angegliedert. Als Begründung diente die geographische Lage des Gebietes, das durch eine 3.000 Meter hohe Bergkette von Armenien getrennt ist. Die Armenier haben sich mit dieser Entscheidung niemals abgefunden. Die Spannungen eskalierten im Februar 1988, als die Führung Karabachs den Anschluß an Armenien forderte. Am 2. September 1991 wurde im Verwaltungszentrum Stepanakert die Gründung einer eigenen Republik proklamiert.

ewu/muc

061117 Jul 1993