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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 10.09.1993, 13:32 Uhr.

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lth/pl/Ministerpräsidenten/Treffen
(Mittagsüberblick) Ministerpräsidenten sprachen über ostdeutsche Wirtschaftslage

Schmalkalden (dts Nachrichtenagentur/ADN-lth). Die 10. Konferenz der ostdeutschen Ministerpräsidenten im thüringischen Schmalkalden hat sich am Freitag vormittag ausschließlich dem Thema wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern gewidmet. Das betonte Thüringens Regierungschef Bernhard Vogel (CDU) während einer Konferenzpause. Gleichzeitig nahm Vogel eine Resolution von Gewerkschaften und Aktionsbündnissen entgegen, in der vor allem eine Neustrukturierung der Treuhandarbeit verlangt wird.

Zuvor waren Hunderte Demonstranten durch die Innenstadt Schmalkaldens gezogen. Unter den Klängen des Trauermarsches "Unsterbliche Opfer" trugen sie symbolisch die ostdeutsche Industrie zu Grabe. Thüringens DGB-Chef Frank Spieth warnte dabei vor einem weiteren drastischen Arbeitsplatzabbau in Treuhandbetrieben. Gegenwärtig gebe es im kleinsten der fünf neuen Länder noch 250 Treuhandbetriebe mit 60.000 Beschäftigte. Nach Beendigung der Treuhandarbeit 1994 rechnet er mit nur noch 17.000 Beschäftigten. "Wir nehmen nicht mehr hin, daß noch mehr Arbeitsplätze vernichtet werden", erklärte Spieth unter dem Beifall der Demonstranten.

Thüringens Ministerpräsident Vogel warnte indes vor übertriebenen Hoffnungen in staatliche Eingriffe. "Der Staat kann nur Hilfe leisten, nicht die Wirtschaft übernehmen", erklärte er. Der Staat könne die Forderung nach stärkerer Beteiligung an bedrohten Unternehmen nur bedingt erfüllen. Jedoch sicherte Vogel den Demonstranten zu, ihren Forderungskatalog weiterzuleiten. Er soll auch Gegenstand der Beratungen am Nachmittag sein.

Weitere Forderungen der Arbeitnehmer waren die Absatzförderung ostdeutscher Produkte, eine Investitionsverpflichtung westdeutscher Unternehmen zur Finanzierung von Dauerarbeitsplätzen und härtere Strafen für Investoren, die ihre Zusagen hinsichtlich Investitionen und Arbeitsplatzerhalt gegenüber der Treuhandanstalt nicht einhalten. Vom DGB wird die Gründung von Holdinggesellschaften, bundeseigene Betriebe oder Management KGs vorgeschlagen, die bedrohte Betriebe zeitweilig übernehmen sollen.

Am Nachmittag wollen sich die fünf ostdeutschen Ministerpräsidenten und der Regierende Bürgermeister von Berlin vor allem mit den Fragen der Treuhandpolitik befassen. Treuhand-Chefin Birgit Breuel hatte ihre Teilnahme kurzfristig abgesagt. Weitere Themen sind die Neuordnung der Kirchenstruktur in Ostdeutschland sowie die Arbeitsplatz- und Ausbildungssituation in den neuen Bundesländern.

spa/jor

101132 Sep 1993