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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 07.10.1993, 16:42 Uhr.

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Lafontaine/Reaktionen
(Zusammenfassung mit neuem Material) Heftige Kritik an Lafontaines Sparplänen - Widerstand auch in SPD

Berlin (dts Nachrichtenagentur/ADN). Auf scharfe Kritik sind die jüngsten Forderungen des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine nach einem langsameren Anstieg der Ostrenten und -löhne gestoßen. Der sächsische SPD-Bundestagsabgeordnete Rolf Schwanitz sagte am Donnerstag dem ADN, "Lafontaine hat hier als Einzelperson geredet". Seine Vorstellungen seien durch keine Beschlüsse oder Überlegungen innerhalb der SPD gedeckt. Schwanitz unterstrich, die Gestaltung der Löhne sei von der SPD immer als Sache der Tarifpartner angesehen worden. Bei den Renten stehe die Bundesregierung im Wort und dürfe sich daraus auch nicht befreien.

Als "fatal" bezeichnete der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Uwe Küster die Äußerungen Lafontaines. Er habe damit falsche Signale gesetzt, erklärte Küster in Bonn. "Das war nicht gut für den sozialen Frieden in unserem Land."

In diesem Sinne äußerte sich auch der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in Sachsen, Hans Jürgen Richter. Lohnverzicht und gleichzeitig Angst um den Arbeitsplatz seien den Arbeitnehmern im Osten nicht zuzumuten, betonte er. Damit würden die Menschen in Ost und West nur gespalten.

Berlins Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) betonte, mit solchen Aussagen brauche die SPD im Osten gar nicht erst zur Wahl anzutreten. Lafontaine müßte ökonomischer Realist und sozialer Politiker genug sein, um einzusehen, daß in einem Währungs- und Wirtschaftsgebiet nur dann soziale Spannungen vermieden werden können, wenn die Löhne und Gehälter gleich seien.

Der Hauptvorstand der Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft verwies darauf, daß die Löhne im Osten "bei weitem" nicht mit denen in den alten Bundesländern zu vergeichen seien. Die Löhne müßten steigen, denn bereits jetzt hätten zunehmend mehr Menschen im Osten Schwierigkeiten, sich bei den Teuerungsraten über Wasser zu halten.

Der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel betonte im MDR 1 - Radio Sachsen, es sollte mehr über ein gerechtes Teilen nachgedacht werden. Dazu gehöre vor allem eine Strategie gegen die Rezession in Westdeutschland.

jor/hwa

071542 Oct 1993