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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 17.02.1993, 15:27 Uhr.

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Kabinett/Bahn
(Zusammenfassung mit neuem Material) Kabinett billigt Gesetzpaket zur Bahnreform - Krause: Bahn AG ohne Altschulden - Bahnen-Vorstand und GeED begrüßen Beschluß - SPD: Nicht zustimmungsfähig

Bonn (dts Nachrichtenagentur/ADN). Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das Gesetzpaket zur Umsetzung der Bahnreform verabschiedet. Mit der Reform wird nach den Worten von Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) die "Grundlage für einen altlastenfreien Neuanfang" von Bundesbahn und Reichsbahn geschaffen. Die Bahn solle künftig "wesentlich stärker als bisher" am Verkehrswachstum beteiligt sein. Die Reform werde einen "entscheidenden Beitrag" zur Milderung der "katastrophalen Verkehrsverhältnisse" in der Bundesrepublik leisten.

Der beabsichtigten "Deutschen Bahn Aktiengesellschaft" werde ein von Altschulden und Altlasten befreiter Start ermöglicht. Die neue Bahn werde außerdem weitgehend von Abschreibungsaufwand entlastet. Sie könne schließlich durch "positive Effekte" der Umwandlung in eine kommerziell geführte AG höhere Erträge bei geringerem Aufwand erwirtschaften. Durch die Reform werde der Finanzbedarf der Bahn bis zum Jahr 2002 um mehr als 100 Milliarden gesenkt.

Dem Entwurf zu dem "Eisenbahnneuordnungsgesetz" und den Artikelgesetzen zufolge sollen die Bahnen in eine Aktiengesellschaft mit den drei Teilbereichen Schienennetz, Güter- und Personenverkehr überführt werden. Im Jahr 2002 soll es dann drei selbständige Aktiengesellschaften geben. Erster Schritt ist die Vereinigung von Bundesbahn und Reichsbahn in einer gemeinsamen AG.

Die Verantwortung für den Schienen-Personennahverkehr soll künftig den Ländern zugeordnet werden. Von dieser Regionalisierung erwarte man mehr Kosten- und Leistungstransparenz sowie eine kundennahe Gestaltung, betonte Krause. Das Schienennetz soll künftig auch von anderen Unternehmen benutzt werden können. Dies sei eine entscheidende Voraussetzung für die Vermarktung des Netzes.

Die Schulden der Bahnen belaufen sich nach den Worten Krauses derzeit auf rund 70 Milliarden Mark. Davon entfielen 50 bis 55 Milliarden Mark auf die Bundesbahn und 15 Milliarden Mark auf die Reichsbahn. In den vergangenen Jahrzehnten habe man sich "in Sondervermögen außerhalb des Bundeshaushalts verschuldet", kritisierte der CDU-Politiker. Die Zinsaufwendungen beliefen sich auf fünfeinhalb bis sechs Milliarden Mark jährlich.

Krause betonte, er werde sich für Bonn als Sitz des künftigen Eisenbahn-Bundesamtes und des Bundeseisenbahnvermögens einsetzen. Wo die Bahn AG ihren Hauptsitz haben werde, müsse das künftige Unternehmen selbst entscheiden.

Die SPD kritisierte die Gesetzentwürfe zur Bahnreform als "so nicht zustimmungsfähig". Beispielsweise fehle eine grundgesetzliche Sicherung des staatlichen Infrastrukturauftrags, erklärte der SPD-Verkehrsexperte Klaus Daubertshäuser. Auch fehle eine Sicherung gegen den Verkauf der Mehrheitsanteilte des Bundes an der Bahn AG. Damit bestehe eine "Ausstiegsmöglichkeit des Bundes aus seiner Verantwortung für die Bahn".

Die FDP hingegen begrüßte den Beschluß. Der bahnpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Roland Kohn, erklärte, es sei erfreulich, daß die Bundesregierung "voll auf der FDP-Linie" liege. Der "jahrzehntelange Kampf" der Liberalen sei erfolgreich gewesen.

Auch beim Vorstand von Bundesbahn und Reichsbahn sowie bei der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED) fand der Kabinettsbeschluß ein postives Echo. Ziel der künftigen AG werde es sein, "mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen" und den Bundeshaushalt zu entlasten, erklärte der Bahnen-Vorstand.

Die GdED betonte, mit der Entschuldung und der Fahrwegfinanzierung durch den Bund würden langjährige Forderungen der Gewerkschaft erfüllt. Zugleich kritisierte sie die Aufteilung der Bahnen in voneinander unabhängige Aktiengesellschaften. Dies würde den Bahnverkehr "wesentlich verteuern".

luz/hoe

171427 Feb 1993