[zurück zur Suche]

 

Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 21.07.1993, 21:59 Uhr.

Die dts Nachrichtenagentur hält die umfangreichen Nutzungs- und Verwertungsrechte. Bei Fragen zu Sondernutzungsrechten oder Lizenzierung wenden Sie sich an unseren Vertrieb.

 

ADN0185 4 pl 258

Presse 41
"Der Tagesspiegel" (Berlin)

"mit doppelstaatsbuergerschaft gegen fremdenhass? zu den veraenderungen im oeffentlichen bewusstsein, welche die mordtaten von solingen herbeigefuehrt haben, gehoert die ueberzeugung, dass mit der ausweitung dieser art der staatsbuergerschaft ein bollwerk gegen den ungeist der gewalt gesetzt werden muesse. kein einwand dagegen ist das argument, gegen brandanschlaege koenne kein pass schuetzen, das ist bloss eine binsenweisheit. eine verbesserung des rechtlichen status der in deutschland lebenden auslaender kann, im gegenteil, sehr wohl der verunsicherung entgegenwirken, die die schlimme folge der gewaltakte und vielleicht auch, nach der kranken logik der taeter, eine ihrer mitursachen ist. sie ist uebrigens bereits eingeleitet: seit anfang des monats sind die moeglichkeiten der einbuergerung betraechtlich erleichtert worden, ist, vor allem, dem anspruch auf solche rechte, die bisher lediglich per ermessen erteilt wurden, eine bresche geschlagen. aber eben die erleichterung der einbuergerung trifft haarscharf an dem problem vorbei, das zu loesen ist. denn beispielsweise die mehrzahl der tuerken will offenbar zu deutschen in dem sinne, dass sie ihre herkunft aufgeben muessen oder wollen, nicht werden. die einbuergerung entspraeche also nicht ihrem lebensentwurf. was ihnen, ihrem bewusstsein und ihrem lebenszuschnitt gerecht wuerde, waere vielmehr ein status, der ihnen die rechte gibt, die ihrer beteiligung am leben in der bundesrepublik, steuern und sozialbeitraege eingeschlossen, aber auch ihrer gelockerten, gleichwohl weiter bestehenden verbundenheit mit der tuerkei adaequat sind. kurz: bei der debatte der frage der buergerrechte fuer auslaender haben wir das vergleichsweise sichere feld der einwanderung im hergebrachten sinne verlassen und beruehren das heikle terrain multikulturellen lebens. es geht um den status von auslaendern, die laengst inlaender geworden sind, teil unserer gesellschaft, die aber gleichwohl die bande zu ihren herkunftslaendern nicht kappen wollen. sie wuenschen die integration, aber scheuen die assimilation."

wsd

211959 Jul 1993