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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 13.03.1994, 12:32 Uhr.

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Seenotrettung/DGzRS
"Wenn das "Mayday"reinkommt, bist du hellwach!" - Rettungsmänner auf

SOS-Kurs

-- Von ddp/ADN-Korrespondent Sven Moritz --

Bremen (dts Nachrichtenagentur/ddp/ADN). Der erste Monat des Jahres 1993 hat es in sich. Unwetter wüten an den Küsten von Nord- und Ostsee. Die polnische Fähre "Jan Heweliusz" gerät östlich vor Rügen in Seenot und sinkt. 55 Besatungzmitglieder und Passagiere ertrinken oder sterben an Unterkühlung. Neun Schiffbrüchige können dank einer dramatischen Rettungsaktion aus der eiskalten Ostsee gerettet werden.

Ihr Leben verdanken sie der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), deren Flotte vor den Küsten Deutschlands rund um die Uhr und bei jedem Wetter im Einsatz ist. Seit 1865, als das Seenotrettungswerk in Folge etlicher Schiffskatastrophen gegründet wurde, haben die Rettungsmänner insgesamt mehr als 56.300 Menschen aus Seenot und lebensbedrohlichen Situationen befreit. Anfangs noch mit Ruderbooten ausgerüstet, verfügt die DGzRS heute über eine Rettungsflotte, die zu den modernsten und leistungsfähigsten in der Welt gehört. Koordiniert wird der Einsatz der 53 Rettungseinheiten von der Seenotleitung (MRCC) in Bremen. Die DGzRS wird von Beginn an ausschließlich von freiwilligen Beiträgen und Spenden, ohne jegliche öffentlich-staatliche Mittel, finanziert.

Der für 1993 vorlegte Tätigkeitsbericht kann die Dramatik mancher der über 2.200 Einsatzfahrten nicht widerspiegeln. So bleibt den Männern des Seenotrettungskreuzers "Hermann Helms" der 23. Januar sicher in Erinnerung, weil an diesem Tag der Notruf "Lotsenversetzboot gekentert. Drei Mann treiben im Wasser" von ihnen aufgefangen wird. Kraftvolle Wellen hatten das Boot etwa fünf Seemeilen nordwestlich Cuxhafen zum Umschlagen gebracht. "Wenn dann das "Mayday" reinkommt, bist du von der ersten Sekunde voll da",- jeder an Bord weiß in solchen Augenblicken, was zu tun ist. Den Notruf bestätigen, Wetterkleidung greifen, Motoren anschmeißen, Bordstromversorgung herstellen, Achterleine, Querleine, Vorleine los und mit voller Kraft raus auf See. Zwei der Vermißten werden entdeckt, doch vor den Augen der Retter wird ein Mann nach einer Stunde Ausharrens in der drei Grad kalten Nordsee in die Tiefe gezogen. Der Zweite verstirbt später an den Folgen der Unterkühlung. Die Suche nach dem dritten Mann muß schließlich abgebrochen werden. Die Seenotretter kehren heim mit der bitteren Erfahrung, daß die Kräfte der Natur an diesem Tag stärker waren als ihr Einsatzwille.

In zahlreichen anderen Fällen konnten Angehörige der Handelschiffahrt, in Not geratenen Wassersportler, Dampfer-Passagiere sowie Besatzungen von Fischkuttern aus Seenot gerettet werden. Im Vorjahr waren es ingesamt 211 Menschen. Mehr als 1.400 wurden aus Gefahrensituationen befreit, darunter auch wieder Wattwanderer, die durch auflaufendes Wasser oder durch plötzlichen Nebel die Orientierung verloren hatten. Darüber hinaus gab es Einsätze, die alles andere als alltäglich sind. So kam im Bordhospital eines Seenotrettungskreuzers ein Mädchen zur Welt, nachdem bei der werdenden Mutter die Wehen zur früh eingesetzt hatten. Das Boot war die einzig schnelle Verbindung von der Insel, auf der die Frau lebte, zur medizinischen Betreuung auf dem Festland. 1993 wurde über 500 Kranken und Verletzten auf diese Weise von der DGzRS geholfen. Besatzungen eilten ferner zwei Walen zur Hilfe, die an der mecklenburg-vorpommerschen Küste gestrandet waren.

Einschließlich aller Such- und Rettungsaktionen sowie Kontrollfahrten haben die Boote der Rettungswerkes rund 130.000 Kilometer auf Nord- und Ostsee zurückgelegt. Nach dem ereignisreichen Vorjahr sind die Rettungsmänner auf den DGzRS-Stationen zwischen Borkum und Ueckermünde auch 1994 gewillt, sich den neuen Herausforderungen zu stellen.

lmv/mor/tba

131132 Mar 1994