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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 22.11.1994, 10:10 Uhr.

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ddp/ADN2026 4 pl 350

Arbeitsmarkt/Langzeitarbeitslose/Korr
Frauen haben die schlechtesten Karten - Langzeitarbeitslosigkeit kann aber jeden treffen

--Von ddp/ADN-Korrespondentin Angelika Schimmel--

Gera (dts Nachrichtenagentur/ddp/ADN). Gepflegt, attraktiv, flexibel und jung muß sie sein, die Frau von heute. Ist sie auch noch gut gebildet, dann kommt der berufliche Erfolg von ganz allein. So jedenfalls suggeriert es die Werbung in den Medien aller Coleur.

Wie so oft, malt das Leben jedoch ein ganz anderes Bild. Wohnt frau nämlich in einem der fünf neuen Bundesländer, dann ist dieses sogar ziemlich grau, und ihre beruflichen Zukunftsaussichten sind düster. Im Oktober dieses Jahres waren bei den Arbeitsämtern in den neuen Ländern mehr als 670.000 Frauen als arbeitslos gemeldet. Zwar ist die absolute Zahl der beschäftigungslosen Frauen zwischen Elbe und Oder seit Jahresbeginn um nahezu 140.000 gesunken, ihr Anteil an der Arbeitslosen-Gesamtstatistik ist jedoch von 62 auf 67 Prozent gestiegen. Mehr als zwei von drei Arbeitslosen im Osten Deutschlands sind also weiblich.

"Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern ist vorrangig ein Frauenproblem" beschrieb Eberhard Wiedemann vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit auf einer Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Gera diese nicht neue, aber traurige Erscheinung. Konjunkturelle und saisonale Aufwärtstrends in der Wirtschaft gehen auch 1994 an den Frauen vorbei. Damit verstärkt sich ein Prozeß, der, seit es verläßliche Statistiken gibt, auch belegt werden kann. Vergleicht man die Zahl die langzeitarbeitslosen Männer mit der der Frauen, so sieht die Situation noch trüber aus. 1992 stellten sie rund 68 Prozent derjenigen, die länger als ein Jahr ohne Beschäftigung waren. Jetzt, Ende 1994, hat sich ihr Anteil auf 76,8 Prozent erhöht.

"Langzeitarbeitslos kann jeder werden", beschreibt Wiedemann seine Erfahrungen. Zwar sei die Chance, beschäftigt zu bleiben, umso besser, je höher die Qualifikation sei. Allerdings schütze auch ein Facharbeiterabschluß nicht vor diesem Schicksal, besagen die Umfrageergebnisse des Nürnberger Institutes, die alljährlich bei 10.000 Männern und Frauen gemacht werden. So liege der prozentuale Anteil der Facharbeiter bei den Langzeitbeschäftigungslosen höher als ihr Arbeitslosen-Anteil überhaupt. Die meisten Betroffenen kommen aus der Landwirtschaft, dem verarbeitenden Gewerbe und dem Handel. Auch in diesen Branchen habe es Frauen eher und mehr getroffen als Männer. Dabei habe Langzeitarbeitslosigkeit nichts mit der Leistungsfähigkeit der Menschen zu tun, "sondern lediglich mit der Einstellungspraxis und unbegründeten Vorurteilen der Unternehmer", weiß Wiedemann zu berichten. "Die schlechtesten Karten haben einfach diejenigen, die nicht richtig ausgebildet, die über 45 Jahre und weiblich sind."

lth/tas/hoe

220910 Nov 1994