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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 08.03.1994, 16:26 Uhr.

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Branchen/Chemie/Ostdeutschland
Noch 47.000 Beschäftigte in Ost-Chemie - Über 50.000 auf Dauer

Berlin (dts Nachrichtenagentur/ddp/ADN). Von den einst 200.000 Beschäftigten in der ostdeutschen Chemiebranche waren Ende 1993 noch ein Viertel, etwa 47.000, dort tätig. Von ihnen haben 31.200 in rund 260 privatisierten klein- und mittelständischen Firmen Arbeit. Wie Treuhand-Vorstand Klaus Schucht am Dienstag vor der Presse in Berlin weiter sagte, konnten bei der Privatisierung der ostdeutschen Chemieindustrie insgesamt 14,3 Milliarden Mark an Investitionen gesichert werden. Mit diesen erwartet die Treuhand auf Dauer wieder etwa 52.000 bis 55.000 Arbeitsplätze in der gesamten Chemiebranche in den neuen Bundesländern.

Für die ostdeutsche Großchemie im Merseburger Dreieck wurde "eine sehr negative Personalentwicklung" konstatiert. Von den früher rund 80.000 Beschäftigten dort werden zum 1. April dieses Jahres 12.300 Chemiearbeiter übrig bleiben. Doch könne die Zahl mit noch ausstehenden Investitionen wieder auf 15.800 steigen, wenn es ganz gut laufe sogar auf 20.000, hieß es. Mit nochmals 20.000 Beschäftigten der Klein- und Mittelbetriebe blieben also rund 40.000 echte Chemiarbeiter im Merseburger Dreieck angesiedelt. Wie in der gesamten Chemieindustrie der Ex-DDR sei auch dort nach der Wende aus marktwirtschaftlicher Sicht die Hälfte der Mitarbeiter zuviel an Bord gewesen.

Von privaten Investoren flossen laut Treuhand bislang 10,5 Milliarden Mark in die ostdeutsche Großchemie, über weitere 1,2 Milliarden werde noch verhandelt. Die Treuhand selbst habe 3,7 Milliarden Mark vorgesehen, von denen 1,8 Milliarden genehmigt seien. Vorbehaltlich der Zustimmung durch die Europäische Union seien weitere 1,9 Milliarden Mark von der THA geplant. Angesichts des Tiefs der gesamten europäischen Chemiebranche mit erheblichen Verlusten wollte sie die Treuhand nicht zu Verlustabschreibungen und künftigen Mitteln äußern, bevor nicht die Behörden in Brüssel darüber informiert seien.

Nach dem Konzept der Treuhand werden derzeit an Standorten wie Leuna, Buna und Bitterfeld-Wolfen die AG in GmbH umgewandelt. Ziel ist die Aufspaltung in zu privatisierende produktive Teile, Service-Unternehmen für sich ansiedelnde kleine Unternehmen sowie Vermögensverwaltungs GmbH, die sich um die Abwicklung von Grundstücken und Eigentumsrechten befassen soll.

Für Buna werde mit russischen Partnern an einem Plan zur Lieferung von Rohstoffen für die Polyethylenfertigung aus dem Jamal-Feld bei Archangelsk via Tankschiffen nach Rostock und dann weiter per Pipeline gearbeitet, hieß es. Bei Leuna, wo die Privatisierung stehe, sei man am weitesten vorangekommen, während es in Bittelfeld noch einige Arbeit gebe. Kritisch wurde die Lage beim Sorgenkind Wolfen eingeschätzt, wo die Investorengruppe nicht beständig und das Konzept sehr fragwürdig geworden sei. Wenig Hoffnung räumte THA-Vorstand Schucht der Addinol AG ein. Deren Standort könne aus seiner Sicht auf Dauer nicht aufrecht erhalten werden, da deren Fette und Schmierstoffe wohl nicht dauerhaft absetzbar seien.

hpn/mge

081526 Mar 1994