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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 16.03.1994, 18:53 Uhr.

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lbg/pl/Stasi/Stolpe/Untersuchungsausschuß/Zf
(2. Zusammenfassung mit neuem Material) Stolpe-Ausschuß geht überraschend in weitere Runde

Potsdam (dts Nachrichtenagentur/ADN-lbg). Der Potsdamer Stolpe-Untersuchungsausschuß geht nach dem plötzlichen Auftauchen einer neuen Zeugin im Streit um die Verleihung einer DDR-Verdienstmedaille an den Ex-Kirchenjuristen Manfred Stolpe doch noch in eine weitere Runde. Der Ausschuß, der seine Arbeit ursprünglich Ende März beenden wollte, beschloß am Mittwoch die Vorladung von fünf weiteren Zeugen. Geklärt werden soll, ob Stolpe die Medaille am 21. November 1978 im Stasi-Objekt "Wendenschloß" in Berlin-Köpenick bekommen hat oder bei einem Gespräch mit Kirchenvertretern in der Auguststraße Berlin-Mitte war.

Nach Angaben von Ausschußchef Lothar Bisky (PDS) sind am kommenden Dienstag folgende Zeugen geladen: Ministerpräsident Stolpe, sein damaliger Kraftfahrer, die frühere Oberkirchenrätin Christa Lewek als neue Zeugin, das Hausmeisterehepaar des Objektes "Wendenschloß" sowie der Sekretariatsleiter der MfS-Hauptabteilung XX, der die Nutzerliste für das Objekt "Wendenschloß" angelegt hatte.

Stolpe hatte dem Ausschuß eine eidesstattliche Versicherung der früheren Oberkirchenrätin Lewek übergeben. Darin soll nachgewiesen sein, daß er an der angeblichen Medaillenübergabe gar nicht teilgenommen haben kann. Nach den Eintragungen im Terminkalender von Frau Lewek soll Stolpe am jenem Novembertag an einem "Dreier-Gespräch" mit ihr und dem damaligen Pfarrer Christoph Demke in der Auguststraße in Berlin-Mitte teilgenommen haben. "Das Gespräch, das für 15.00 Uhr festgelegt war, hat stattgefunden", heißt es in der Erklärung von Frau Lewek.

Aus der Bündnis-Fraktion war zu erfahren, daß die eidesstattliche Erklärung nicht definitiv aussagt, daß das "Dreier-Gespräch" auch um 15.00 Uhr stattgefunden hat. Insofern könne von einer "Entlastung Stolpes" nicht die Rede sein.

Der ehemalige Stasi-Offizier Klaus Roßberg hat seine Version von der Verleihung der Medaille durch das MfS erhärtet. Vor dem Ausschuß sagte er, Stolpe habe offenbar die Empfehlung bekommen, notfalls zu sagen, er habe den Orden nicht von der Stasi, sondern vom damaligen Kirchenstaatssekretär Hans Seigewasser erhalten. Zu der neu aufgetauchten MfS-Nachweisliste über die Nutzung des konspirativen Objekts "Wendenschloß" in Berlin-Köpenick sagte Roßberg, es handele sich um Daten über vollzogene Treffs und nicht um Planungen der Stasi. Die Liste sei "exakt und vertrauenswürdig" und bestätige den "Medaillen-Treff" am 21. November 1978.

igo/jor

161753 Mar 1994