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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 27.08.1995, 16:28 Uhr.

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Justiz/Stasi/Anklage
Erste Anklagen gegen Ex-Stasi-Mitarbeiter wegen Aussageerpressung

Berlin (dts Nachrichtenagentur/ddpADN). Die Staatsanwaltschaft II beim Landgericht Berlin hat erstmals gegen ehemalige Stasi-Mitarbeiter Anklage wegen Aussageerpressung erhoben. Wegen dieses Delikts müssen sich ein heute 61jähriger früherer Hauptabteilungsleiter, ein 64jähriger ehemaliger Major und ein 64jähriger Ex-Stasi-Oberleutnant vor Gericht verantworten, wie ein Justizsprecher am Sonntag mitteilte. Ihnen wird vorgeworfen, bei Verhören Personen zu unwahren Aussagen gezwungen zu haben, auf deren Grundlage weitere Personen festgenommen und von der DDR-Justiz verurteilt wurden.

Der 61jährige Angeklagte soll einen aus finanziellen Nöten in die DDR übergesiedelten Bundesdeutschen, der sich bei der Stasi als angeblicher BRD-Spion gemeldet hatte, ausgenutzt haben. Aufgrund der Aussagen des selbsternannten Agenten wurden 1972 insgesamt zwölf Personen wegen des Verdachts der Spionage verhaftet, obwohl es dafür keinerlei Anhaltspunkte gab und die Haftbefehle erst Tage nach der Festnahme beantragt wurden. Infolge von zermürbenden Verhören, Gewaltandrohung und anderen Erpressungen erklärten sich sieben Personen für schuldig. Trotz fehlenden hinreichenden Tatverdachts wurden die Betroffenen zu Haftstrafen zwischen sechseinhalb und 15 Jahren verurteilt. Der damalige Militärstaatsanwalt und der Militärrichter werden durch die Justiz gesondert verfolgt.

Den anderen angeklagten Ex-Offizieren wird zur Last gelegt, 1962 bei einem von der Stasi inszenierten Schauprozeß einen mutmaßlichen Schleuser zu falschen Aussagen gezwungen zu haben. Der Festgenommene sollte erklären, bei Schleusungsaktionen bewaffnet gewesen zu sein. Dafür sollte er nicht wie angedroht zwölf, sondern nur drei Jahre ins Gefängnis. Schließlich beugte sich der Betroffene dem Druck. Er wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt und saß von August 1962 bis September 1964 ein.

bln/lun/cok

271428 Aug 1995