[zurück zur Suche]

 

Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 19.08.1995, 05:16 Uhr.

Die dts Nachrichtenagentur hält die umfangreichen Nutzungs- und Verwertungsrechte. Bei Fragen zu Sondernutzungsrechten oder Lizenzierung wenden Sie sich an unseren Vertrieb.

 

ddp/ADN0020 4 pl 267

Justiz/Kruzifix/Richterbund
(ddpADN-Interview) Richterbund warnt vor überzogener Kritik am Bundesverfassungsgericht

Bonn (dts Nachrichtenagentur/ddpADN). Der Deutsche Richterbund (DRB) hat vor "Grenzüberschreitungen" bei der Kritik am Bundesverfassungsgericht nach dem sogenannten Kruzifix-Urteil gewarnt. Natürlich seien Beschlüsse der Karlsruher Richter ebenso "kritikfähig" wie etwa Entscheidungen des Gesetzgebers, sagte DRB-Geschäftsführer Peter Marqua in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur ddpADN in Bonn. Dabei dürfe es jedoch nicht zu "polemischen Ausfällen" gegen das Verfassungsgericht oder gar zu Widerstands-Aufrufen gegen die Karlsruher Entscheidungen kommen.

Marqua verwies darauf, daß das Bundesverfassungsgericht "letztverbindlich über die Auslegung der Verfassung" entscheide. Wenn eine Karlsruher Entscheidung nicht gefalle, könne nicht deswegen das Bundesverfassungsgericht und "damit die verfassungsmäßige Ordnung in der Bundesrepublik in Frage gestellt" werden. Wer etwa zum Ungehorsam gegen Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts auffordere - wie es nach dem sogenannten Kruzifix-Urteil geschehen sei -, kündige den demokratischen Konsens auf, ohne den ein "Rechtsstaat freiheitlicher Prägung" wie die Bundesrepublik nicht existieren könne.

Der DRB-Geschäftsführer betonte zugleich, mit seiner Entscheidung habe das Bundesverfassungsgericht "voll im Einklang mit seinen Zuständigkeiten gehandelt". Zwar könne "abstrakt und theoretisch" über die Kompetenzen des Verfassungsgerichts gestritten werden, doch sei zu fragen, ob sich eine solche Debatte an konkreten Entscheidungen der Karlsruher Richter entzünden sollte.

Seiner Auffassung nach solle allerdings an den "grundgesetzlichen Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts in keiner Weise gerüttelt werden", fügte Marqua hinzu. Schließlich habe man in den mehr als 40 Jahren, in denen das Verfassungsgericht Recht spreche, "beste Erfahrungen damit gemacht". Das Gericht habe "sicherlich konsensbildend und auch friedensstiftend" gewirkt, unterstrich der DRB-Geschäftsführer. Dabei liege es "in der Natur der Sache", daß nicht alle Entscheidungen auf ungeteilte Zustimmung treffen könnten.

sto/and

190316 Aug 1995