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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 28.12.1992, 08:57 Uhr.

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Paternoster/Betriebsgenehmigung
Countdown für Paternoster

--Von ADN-Wirtschaftskorrespondent Heinz Simon--

Berlin (dts Nachrichtenagentur/ADN). Ein guter Freund soll im Neuen Jahr endgültig von uns gehen - der Paternoster. Bereits vor 20 Jahren wurde sein langsamer Abschied vom TÜV verordnet und jeder Neubau untersagt. Bis Ende 1993 sollen nun auch die letzten "kreisenden Kästen" in Deutschland ihren Betrieb einstellen, nachdem sie mehr als 100 Jahre vor allem in Ämtern und Behörden ihren Dienst taten.

So mancher wird die Nachricht mit Bedauern hören. Wer erinnert sich nicht an seine erste Tour und den etwas überhasteten Einstieg, der mehr zum Einsprung geriet. Dann der Schreck, wenn der verpaßte Ausstieg in der obersten Etage die bange Frage provozierte, ob denn nun ein Kopfstand folgt. Für eine ganze Generationen von Karikaturisten und Filmemachern war der Paternoster unerschöpflicher Lieferant für Ideen und Gags. Der Wartende konnte zum Zeitvertreib amüsanten Überlegungen nachhängen, welcher Kopf wohl zu jenen, von oben kommenden Beinen gehört. Aber auch Enttäuschungen waren möglich, wenn einem interessanten Gesicht in aufsteigender Richtung ein nicht sonderlich proportionierter Körper folgte.

Doch Nostalgie vermag die harten Fakten nicht aus der Welt zu schaffen. Die Zahl der Unfälle im Paternoster ist nach Angaben der Vereinigung Deutscher Eletrizitätswerke etwa dreimal höher als in Fahrstühlen. Kindern und Gebrechlichen war die Benutzung ohnehin untersagt. Dennoch stehen gerade sie an der Spitze der Unfall-Personen. Gefolgt von Handwerkern, die trotz des verbotenen Gepäcktransports unbedingt mit Farbtopf oder Leiter in den Fahrkorb wollten.

Nicht ganz geklärt wird bleiben, wie die "Umlauf-Aufzüge" zu ihrem Namen kamen. Das lateinische "pater noster - unser Vater" scheint der häufigsten Annahme recht zu geben, daß von der Gebetskette und ihren aufgereihten Perlen, die langsam durch die Hand des Pfarrers glitten, auf die Aufzugkästen am Stahlseil geschlossen wurde. Das dem Personenlift zugrundeliegende Prinzip ist uralt und wurde nach Meinung von Technik-Experten bereits vor Jahrtausenden in Asien bei der Bewässerung von Reisfeldern genutzt.

Aus vollen Herzen werden wohl die Fahrstuhlproduzenten den Abschied vom Paternoster begrüßen, da sie vom Ersatz der noch in Betrieb befindlichen gut 100 Anlagen in der Bundesrepublik profitieren.

hsi/akr

280757 Dec 1992