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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 17.03.1996, 11:34 Uhr.

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Kultur/Musik/Jazz/Korr
Jazzclub "Tonne" feierte 15jähriges Bestehen - Ein rauschendes Fest mit Prominanz - Umzug verbreitet etwas "Katerstimmung"

--Von ddpADN-Korrespondent Peter Kosfeld--

Dresden (dts Nachrichtenagentur/ddpADN). Wo in Dresden Männer mit großen Bäuchen und gewaltigen Bärten nebst rustikalen Frauen zum Feiern zusammenkommen, ist ganz sicher Jazz zu hören. Am Samstag abend trafen sich die lokalen Matadoren dieser Musik zu einer rauschenden Party. Der Jazzclub "Tonne" in der Altstadt feierte sein 15jähriges Bestehen. Neben Bäuchen und Bärten war auch jede Menge Prominenz gekommen, um dem Geburtstagskind alles Gute für die Zukunft zu wünschen.

Der stets fein gekleidete Kunstminister Hans Joachim Meyer (CDU) paßt eigentlich nicht so richtig in das eher derbe Ambiente der Jazzszene. Er ließ es sich trotzdem nicht nehmen, gemeinsam mit seinem Kabinettskollegen, Innenminister Klaus Hardraht, an dem Empfang in den urigen Gewölben des Kurländer Palais teilzunehmen. Mehrere hundert geladene Gäste drängten sich schon am frühen Abend zwischen den dicken Steinmauern. Der Club spendierte Bier und ein opulentes Buffet. Die Stimmung war ausgezeichnet.

Minister Meyer, vom Jazzclub dazu gedrängt, absolvierte ein dem Rahmen angemessenes "Grußwort" an die Gäste. Von einer Rede wolle er absehen, da längere öffentliche Diskurse unter Jazzfreunden ja eher verpönt seien, sagte der Kunstminister und bewies damit durchaus Fingerspitzengefühl. Meyer würdigte die Arbeit der Organisatoren und etwa 200 Mitglieder des Clubs, die in der Freizeit dazu beigetragen hätten, in Dresden einen weiteren kulturellen Anziehungspunkt zu schaffen. Zwar sei die Semperoper älter, "aber 15 Jahre ist ja auch schon etwas".

Daß der Club derzeit von Finanzsorgen geplagt ist, kam in den "heiligen Hallen" auch zur Sprache. Die Betreiber riefen zu einer neuen Spendenaktion auf, um die Kosten für den geplanten Umzug hereinzubekommen. Eine CD mit den musikalischen Höhepunkten aus dem Jazzkeller wurde gleich an Ort und Stelle unter die Leute gebracht. Der notwendige Umzug könnte nach Schätzungen 300.000 Mark kosten. Viel Geld vom Land oder von der Kommune erwartet Dirk Hühnerbein, Vorsitzender des gemeinnützigen Trägervereins Tonne e.V., nicht. Die Reaktionen seien bislang eher "verhalten" gewesen, sagte er. Auch Minister Meyer wollte sich am Festabend nicht auf vorschnelle Versprechungen einlassen.

Die "Tonne" ist laut Hühnerbein Ostdeutschlands einziger Jazzclub mit ständigem Domizil. Mit 160 Veranstaltungen und 22.000 Besuchern im vergangenen Jahr habe sich der Club zu einem Anziehungspunkt für Einheimische und Touristen entwickelt. Inzwischen kämen auch internationale Jazzgrößen nach Dresden.

Auf der Geburtstagsparty standen aber nicht die Promis aus Musik, Kunst und Politik im Vordergrund, sondern wie üblich die Musik selbst. Eine Bigband wurde von den begeisterten Gästen frenetisch angefeuert. Das kenntnisreiche Publikum wippte mit den Füßen, während die Jazzer auf der Bühne konzentriert schwitzend in ihre goldblitzenden Instrumente bliesen. Ein junges Paar wagte sogar einen Tanz inmitten des Trubels. Die Bärte saßen vor ihrem Bier und waren offensichtlich zufrieden mit dem Abend.

kos/cok

171034 Mar 1996