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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 10.04.1996, 10:10 Uhr.

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Kultur/Kulturtage/Petersburg/Korr
St. Petersburg zu Gast in Karlsruhe - 13. Europäische Kulturtage schlagen Brücke nach Rußland

--Von ddpADN-Korrespondent Reinhard Kleber--

Karlsruhe (dts Nachrichtenagentur/ddpADN). "Einen Monat lang wird Badens einstige Residenz russisch, zumindest in kultureller Hinsicht." Mit dieser Ankündigung kennzeichnet Michael Heck, Kulturreferent der Stadt Karlsruhe, nicht nur das breitgefächerte Programm der diesjährigen Europäischen Kulturtage in Karlsruhe, er spielt auch auf jene Zeiten an, als die Beziehung zwischen dem Großherzogtum Baden und dem Zarenreich besonders eng geknüpft war. So waren die beiden Herrscherhäuser durch die Heirat des späteren Zaren Alexander I. mit der badischen Prinzessin Luise im Jahr 1793 verschwägert. Damals wurde auch der legendäre Ausspruch geprägt: "Rußland muß noch badisch werden!". Ein Satz, der allerdings nicht ganz ernst gemeint war.

An die traditionelle Verbindung zwischen den beiden früheren Residenzstädten knüpfen jedenfalls vom 12. April an die Kulturtage mit einem Veranstaltungsbündel aus und über St. Petersburg an, das sich gerade in den heutigen kargen Zeiten sehen lassen kann. Nach dem Wegfall der einstigen Schranken sollen die Besucher des Kulturspektakels nun eine alte Erfahrung neu machen können: "Rußland hat zwei Metropolen - Moskau und St. Petersburg". Das zumindest meinen Karlsruhes Oberbürgermeister Gerhard Seiler und der Generalintendant des Badischen Staatstheaters, Günter Könemann, die sich für die Kulturtage zusammengetan haben.

Von der lebendigen Theaterszene St. Petersburgs werden etliche Gastspiele Zeugnis ablegen. Opernfreunde dürfen sich auf die Künstler des Mariinskij-Theaters freuen, das mit Dmitrij Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk" gastiert. Gleichsam als Verbeugung vor der großen russischen Ballett-Tradition bieten Solisten des weltberühmten Kirov-Balletts unter Leitung von Oleg Vinogradov ein hochklassiges Auswahlprogramm. Darüber hinaus studieren drei junge russische Choreographen einen Ballettabend mit dem Karlsruher Ensemble ein.

Eröffnet wird der vierwöchige Veranstaltungsreigen aber mit einer heimischen Produktion von Raymund Richter: Das Badische Staatstheater zeigt am 12. April die deutschsprachige Erstaufführung des Schauspiels "Marmor" des Literaturnobelpreisträgers Joseph Brodsky, der aus St. Petersburg stammt, aber seit seiner Ausbürgerung im Jahr 1972 in den USA lebt.

Ein Glanzlicht der Kulturtage dürfte die Ausstellung "Vom Glück des Lebens" im Prinz-Max-Palais werden. Die berühmte Eremitage öffnete dafür ihre Schatzkammern und schickt teilweise gar zum ersten Mal Gemälde und Zeichnungen französischer Künstler des 18. Jahrunderts nach Deutschland, darunter Werke von Antoine Watteau, Jean-Honore Fragonard und Francois Boucher. Einen Einblick in das hierzulande nur wenig bekannte aktuelle Kunstschaffen ermöglichen Ausstellungen im Badischen Kunstverein und im Künstlerhaus. Gleich vier Galerien stellen Arbeiten junger Konzeptkünstler aus St. Petersburg vor.

Auch die Freunde von Musik und Film kommen nicht zu kurz: So gibt das Neue Philharmonische Quartett der St. Petersburger Philharmonie ein Kammerkonzert mit Streichquartetten von Rachmaninow, Borodin und Tschaikowjskij. Und das Studio Vocale Karlsruhe würdigt mit einem Chorkonzert das Schaffen der Petersburger Musikergruppe "Das mächtige Häuflein". Vorgestellt werden zudem Filme des Petersburger Lenfilm-Studios, die zwischen 1926 und 1995 entstanden sind, und der aktuellen Nekrorealismus-Bewegung. Darüber hinaus ergänzen Lesungen, Vorträge und Symposien das Programm, das Karlsruhe beinahe zu einem "St. Petersburg am Rhein" werden läßt.

rkr/muc

100810 Apr 1996