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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 23.12.1996, 11:34 Uhr.

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Weihnachten/Herzog
(Sperrfrist 24. Dezember, 00.00 Uhr) Herzog: Menschliche Gesellschaft braucht Mithilfe jedes einzelnen

Berlin (dts Nachrichtenagentur/ddpADN). Bundespräsident Roman Herzog hat die Deutschen zu einer "Offensive der gelebten Nachbarschaft" und der täglichen Hilfe aufgerufen. In seiner vorab veröffentlichten diesjährigen Weihnachtsansprache betont das Staatsoberhaupt, auch der beste Sozialstaat erreiche keine Mitmenschlichkeit. "Dazu bedarf es jedes einzelnen Menschen", fügte Herzog hinzu. Viele, die Einsamkeit, Not und Interesselosigkeit beklagten, verließen sich allzuleicht auf die "Perfektion staatlicher Betreuung". Obwohl inzwischen alle wüßten, daß der Staat an die Grenzen seiner Möglichkeiten stoße.

Als Vorbilder für eine menschliche Gesellschaft hob der Bundespräsident jene Unternehmer hervor, die trotz schwieriger Lage Ausbildungsplätze schafften oder auf Entlassungen verzichteten. Herzog unterstrich, unter Einbeziehung der Folgekosten sei "eine menschliche Gesellschaft auf lange Sicht wahrscheinlich sogar wirtschaftlicher".

Für ihn bedeute eine wirklich menschliche Gesellschaft eine tolerante Gesellschaft, in der das Anderssein eines Menschen nicht als Belastung, sondern als Bereicherung empfunden werde. Menschlich sie eine Gesellschaft, in der Kinder mehr zählten als materielle Werte und in der der Nachbar nicht sein Ansehen verliere, wenn er arbeitslos werde.

Herzog rief die Bundesbürger auf, nicht die Augen vor dem gewaltigen Umbruch zu verschließen, der weltweit stattfinde. In vielen Ländern gebe es eine unglaubliche Aufbruchstimmung. Deutschland werde sich anstrengen müssen, wenn man mit dieser Dynamik mithalten wolle.

Das Bild Deutschlands im Ausland sei heute viel besser, als viele glaubten. "Man wartet zwar nicht auf unseren erhobenen Zeigefinger, aber man wartet auch nicht nur auf unsere finanzielle Hilfe", fügte Herzog hinzu. Die Schwierigkeiten Deutschlands seien bekannt, aber man wolle auch davon lernen, wie die Deutschen mit ihren Problemen fertig würden. Der Bundespräsident unterstrich: "Mehr als wir selbst glauben die anderen, daß wir Deutsche es schon schaffen werden."

Die Ansprache des Bundesspräsidenten wird an Heiligabend im Rundfunk und am Abend des ersten Weihnachtsfeiertages im Fernsehen übertragen.

and/voe

231034 Dec 1996