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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 25.09.1996, 10:22 Uhr.

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RO/DDR-Geschichte/Ausstellung/Korr
Bergkristall mit Hammer und Zirkel: Nächste DDR-Kunstausstellung auf

Burg Beeskow zeigt auch Kitsch - Schon 30.000 Stücke im Archiv

--Von ddpADN-Korrespondent Jörg Schreiber--

Beeskow (ddpADN-RO). "Burgherr" Herbert Schirmer ist recht zufrieden: 9.000 Neugierige haben die erste langfristige Ausstellung des Dokumentationszentrums für DDR-Kunst auf der Burg Beeskow in Ostbrandenburg besucht, die am Sonntag nach einjähriger Dauer zu Ende geht. Unter dem Titel "Querformat 2" wurden 40 Gemälde hauptsächlich aus den 70er Jahren gezeigt. Neben etwas problemorientierteren Bildern waren auch stupide Auftragskunst und Propagandawerke zu sehen.

Erstaunlicherweise kam rund die Hälfte der Besucher aus den alten Bundesländern und dem Westteil Berlins. Er habe bei den Menschen aus dem Westen "eine große Neugierde" auf die Bilder bemerkt, sagt Schirmer, der letzter Kulturminister der DDR war. Zwar würden sich ihnen die Gemälde nur bei näherer Erläuterung erschließen. Aber die Westdeutschen "sind willens, sich aufklären zu lassen". Gruppen aus dem Osten hätten dagegen oft schon nach 15 Minuten die Ausstellung wieder verlassen, manche seien regelrecht mißmutig gewesen. Die Atmosphäre, in der alles an alte DDR-Zeiten erinnerte, habe die Neubundesbürger offenbar erschreckt. Die biographische Verflechtung führe oft bis zur Schmerzgrenze.

Die jetzige Ausstellung ist noch nicht zu Ende, da wird die nächste schon vorbereitet: Sie soll den vieldeutigen Titel "Schönheit der Macht" tragen und voraussichtlich im November starten. Dabei wird dem Besucher noch mehr abverlangt, denn neben Kunst werden auch Polit-Souvenirs, Kunstgewerbe, Kitsch und eben ein Ausschnitt dessen gezeigt, "was die Mächtigen der DDR als Kunst erachtet haben oder als repräsentativ empfanden", sagt Schirmer. Das gehe "hart an die Grenze und darüber hinaus". So sollen ein Doppelporträt von Honecker und Gorbatschow ebenso zu sehen sein wie ein Bergkristall mit DDR-Staatsemblem.

Die auf ein halbes Jahr angelegte Ausstellung solle die letzte Querschnitts-Exposition sein. Danach will Schirmer thematische Ausstellungen etwa zu Frau, Kind oder Landwirtschaft im Sozialismus zeigen. Er kann dabei aus einem breiten Fundus schöpfen, denn mittlerweile hat das Dokumentationszentrum auf der Burg über 30.000 Stücke in seinem Bestand. Sie stammen aus den Ländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, für das Beeskow die zentrale Archivstätte ist und die ab 1998 die Finanzierung übernehmen. Ähnliche Zentren gibt es auf der Festung Königsstein in der Sächsischen Schweiz (für Sachsen und Thüringen) und ein kleineres im sachsen-anhaltinischen Halle.

Viele der neueingehenden Werke kämen aus alten DDR-Unternehmen, die jetzt umbauen und ausmustern würden. Darunter seien oftmals große Wandbilder. Finanziert wird das Ganze vorerst noch von der Treuhand-Nachfolgegesellschaft BVS, die 2,1 Millionen Mark nach Beeskow überwiesen hat. Davon flossen allein 500.000 Mark in die Klimaanlage des Speichers. Den Gemälden gehe es heute besser als zu DDR-Zeiten, sagt Schirmer, der den Werken durchaus kritisch gegenübersteht. Es sei oft erschreckend, in welcher Fülle und welch schlechter Qualität "politisches Kunsthandwerk" gemacht wurde. Ziel der Ausstellungen sei, daß der Besucher objektiven Abstand von der DDR-Kunst bekommt. Etwa nach dem Motto "Es war nicht alles schlecht in der DDR, aber eben auch nicht alles gut".

jjs/gei

250822 Sep 1996