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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 23.12.1996, 12:11 Uhr.

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Bräuche/Plattdeutsch/Schimpfwörter/Korr
Von Angstkoetel bis Zanzel - Was sich die Mecklenburger und Pommern so alles an den Kopf werfen

--Von ddpADN-Korrespondent Werner Behrens--

Schwerin (dts Nachrichtenagentur/ddpADN). Es ist eine altbekannte Weisheit, daß im Plattdeutschen manches gesagt werden kann, was im Hochdeutschen augenblicklich eine Beleidigungsklage nach sich ziehen würde. Der norddeutsche Menschenschlag bedient sich einer Sprache, die an Direktheit und zuweilen auch an Derbheit nichts zu wünschen übrig läßt. Er meint es dabei beileibe nicht immer schlecht. Wörter wie Angstkoetel für einen Angsthasen und Zanzel für eine unordentliche, zänkische Frau stehen dafür.

Der Volksmund in Mecklenburg-Vorpommern hat aber auch eine ganze Reihe von Ausdrücken hervorgebracht, die in einer Schimpfkanonade "schwere Geschütze" darstellen. Canalljenvagel (Kanaillenvogel) für einen Halunken, der zugleich nicht ganz klar im Kopf ist, Kakerlaatsch (Kakerlake) für einen unangenehmen Menschen oder Koerbsenoors (Kürbisarsch) für einen kleinen, dicklichen Typen sind wohl noch am wenigsten anstößig. Anders dagegen schon Moorsklemmer für einen Schmeichler, Rabenaas für eine schlechte Ehefrau oder Schnappenlicker für eine Rotznase, ein dreckiges Kind. Besonders hart geht der Norddeutsche mit jenen Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts um, die dem horizontalen Gewerbe frönen: Stäkscheid', Stratendiern, Swanzklemmer, Flurt, Dremarksdiern oder Äweltrine werden sie genannt.

Auch vor den Berufsbezeichnungen hat der "Erfindergeist" der Plattdeutschen nicht halt gemacht. Wenngleich damit teilweise ein gewisser Spott zum Ausdruck kommt wie beim "Zägenbort" (Ziegenbart) für den Schneider oder beim "Bortschinner" (Bartschinder) für den Friseur, so sind diese Wörter zumeist doch mit einer gehörigen Portion Ulk verbunden. Der "Klockenschauster" (Uhrenschuster) für den Uhrmacher, der "Pillendreiger" (Pillendreher) für den Apotheker, der "Plaasterschmeerer" (Pflasterschmierer) für den Sanitäter, der "Klinkendräger" (Klinkenträger) für den Schornsteinfeger, der "Kätelflicker" (Kesselflicker) für den Klempner, der "Afkat" (Advokat) für den Rechtsanwalt oder der "Tähnenpurrer" (Zahnstocherer) für den Zahnarzt mögen das belegen. Anders sieht es schon wieder mit dem "Knakenbräker" (Knochenbrecher) für den Arzt und speziell für den Chirurgen aus. Der Schöpfer dieses Wortes muß böse Erfahrungen mit seinem Medicus gemacht haben.

Fest steht, daß kaum ein Plattdeutscher all seine Beschimpfungen so böse findet, wie sie sich anhören. Der rauhe Umgangston kommt aus einem guten Herzen. Wer sich bemüht, mit den Mecklenburgern und Pommern warm zu werden, wird das schnell herausfinden.

lmv/stw/gbt

231111 Dec 1996