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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 28.07.1996, 16:29 Uhr.

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Tarife/Zf
(Wochenend-Zusammenfassung) Arbeitgeber uneins über Eingriffe in Flächentarif - Stumpfe kündigt Kürzung der Lohnfortzahlung an - Streit um längere Arbeitszeiten

Bonn (dts Nachrichtenagentur/ddpADN). Der Vorschlag von FDP-Chef Wolfgang Gerhardt, die Flächentarifverträge in Deutschland notfalls durch einen gesetzlichen Eingriff zu lockern, ist im Arbeitgeberlager auf ein unterschiedliches Echo gestoßen. Der künftige Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt lehnte den Vorstoß der Liberalen am Wochenende ab und ging damit auf Distanz zu Gesamtmetall-Präsident Werner Stumpfe, der Gerhardt zuvor ausdrücklich unterstützt hatte. Stumpfe kündigte unterdessen an, daß die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in der Metallindustrie bereits ab November gekürzt werden soll.

Gerhardt hatte am Freitag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gefordert, bei Löhnen und Arbeitszeiten künftig nur noch "Bandbreiten" festzulegen, innerhalb derer sich die einzelnen Betriebe bewegen könnten. Sollten die Tarifparteien dazu nicht bereit sein, strebe die FDP eine gesetzliche Regelung an. Stumpfe forderte die IG Metall daraufhin auf, einer Lockerung der "gegenwärtig noch zu starren tariflichen Regelungen" zustimmen. Geschehe dies nicht, müsse der Gesetzgeber handeln.

Dagegen sagte Hundt in einem ddpADN-Gespräch, wenn der Gesetzgeber in das Tarifvertragsrecht eingriffe, wäre dies "das Ende der Tarifautonomie". Der Flächentarif sei ein Fundament des sozialen Friedens, und dabei solle es auch bleiben. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sollten die Tarifverträge weiterhin in eigener Verantwortung und ohne Vorgaben des Gesetzgebers aushandeln.

Der Hamburger Arbeitsrechtler Professor Ulrich Zachert warnte nachdrücklich vor einem Eingriff des Gesetzgebers in die Tarifpolitik. Wenn die Politik den Flächentarifvertrag in seinem Wirkungsbereich einschränken würde, verstieße dies eindeutig gegen die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie, sagte Zachert in einem ddpADN-Gespräch. Der Gesetzgeber dürfe daher den Vorrang des Tarifvertrags vor der Betriebsvereinbarung keinesfalls aufheben.

Stumpfe sagte unterdessen der "Welt am Sonntag", daß das von der Bonner Koalition geplante neue Lohnfortzahlungsgesetz "ganz automatisch" bereits ab dem 1. November dieses Jahres in der Metallindustrie zur Anwendung kommen werde. Bis auf wenige Ausnahmen sei in den Tarifverträgen vereinbart, daß das Lohnfortzahlungsgesetz in seiner jeweils gültigen Fassung gelte. Die IG Metall dürfe dagegen auch nicht streiken. Ihr bliebe nach Einschätzung Stumpfes nur noch die Möglichkeit, jedes Unternehmen, das das neue Gesetz anwendet, einzeln verklagen - bis hin zum Bundesarbeitsgericht.

Der Gesamtmetall-Chef plädierte erneut für längere Arbeitszeiten. Das sei notwendig, um die Lohnstückkosten zu senken. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Dieter Schulte, sagte demgegenüber im SFB, neu an dem "Geschwätz" über längere Arbeitszeiten sei nur "die Arroganz und die Frechheit", mit der es vorgetragen werde. IG-Metall-Chef Klaus Zwickel warnte in der "Magdeburger Volksstimme am Sonntag", wenn die Arbeitnehmer länger arbeiten würden, wären noch mehr Leute arbeitslos.

nof/stu

281429 Jul 1996