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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 07.12.1996, 20:49 Uhr.

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ddp/ADN4011 4 pl 280

Presse 11/USA/Außenministerin
"Berliner Morgenpost"

"der ausgepraegte innenpolitiker bill clinton hat sich bei der bildung seines kabinetts zu einem kuehnen schachzug entschlossen. er hat die beinharte und eher undiplomatische madeleine albright als erste frau in der amerikanischen geschichte an die spitze des state departements berufen. die erinnerung an den scheidenden us-aussenminister warren christopher wird wahrscheinlich schneller verblassen, als er es verdient. er war ein hoelzerner, leiser, geduldiger und ausdauernder mann, ein braver diplomat rundum. seine nachfolgerin, die mehrfache grossmutter madeleine albright, ist nahezu das gegenteil von ihm. sie ist dynamisch, leidenschaftlich, unverbluemt, verletzend, eine frau mit militantem charme, ungeduldig, druck produzierend. ob 'clintons weibliche bulldogge', wie manche sie wenig kavaleresk nennen, auf dauer die international eingeuebten gesetze der diplomatie ohne schaden fuer sich und ihr land ausser kraft zu setzen vermag, steht allerdings in den sternen. schon vor ihrer berufung ins state departement hat frau albright zur aktivierung der amerikanischen aussenpolitik beigetragen. sie hat die amerikanischen bombereinsaetze in bosnien und im irak ausdruecklich empfohlen und das umdenken der clinton-administration in sachen balkan entscheidend vorangetrieben. sie gehoert zu den architekten des dayton-friedensabkommens. und sie hat als botschafterin bei den vereinten nationen den rueckzug des generalsekretaers butros-ghali erzwungen. madeleine albrights wiege stand an der moldau. doch anders als henry kissinger hat die gebuertige tschechin keine sentimentalen seelenpartnerschaften mit europa. einige herren in den europaeischen hauptstaedten werden nun die helme fester binden muessen. das 'kinkeln' und 'genschern' abgelebter zeiten duerfte nun schwieriger werden. die streitbare dame ist eine entschlossene befuerworterin der nato-oeffnung nach osten. auf das taenzchen der amerikanischen grossmutter mit muetterchen russland darf man gespannt sein. denkt man an das gaerende serbien und das ungeloeste problem bosnien, darf man sicher sein: madeleine albright wird es ablehnen, dass die usa weiterhin den europaeern die drecksarbeit abnehmen."

ddpADN

071949 Dec 1996