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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 07.11.1996, 12:19 Uhr.

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ddp/ADN0193 4 pl 438

lmv/pl/Umwelt/Rostock/Wasser/Korr
Umweltschützer warnen vor Grundwasserförderung im mittleren Mecklenburg

--Von ddpADN-Korrespondent Hans Bentzien--

Rostock (dts Nachrichtenagentur/ADN-lmv). Daß Mecklenburg-Vorpommern ein strukturschwaches Land mit relativ intakter Natur ist, wird eindrucksvoll durch die Tatsache illustriert, daß die größte Stadt des Landes ihr Trinkwasser noch aus dem Fluß bezieht, an dem sie liegt. Noch nie haben die Rostocker in den vergangenen Jahrhunderten etwas anderes als Wasser aus der Warnow getrunken. Daß sie es heute noch tun können, ist in Deutschland einzigartig und erfordert den Einsatz teurer Technik, denn die Warnow hat es in sich: In den 151 Kilometer langen, langsam fließenden Fluß münden nährstoffreiche Nebenflüsse.

Auf seinen letzten 40 Kilometern vor Rostock reichert sich die Warnow mit organischen Schwebstoffen aus drainierten Niederungsmooren an, rund 270 Algenarten und jahrzeitlich schwankende Temperaturen erschweren die Aufbereitung. Insgesamt 250 Millionen Mark muß die "Eurawasser", seit 1994 Konzessionär in Rostock, für die Wasseraufbereitung und Abwasserbeseitigung investieren. Mit ihrem Wasserpreis liegen die Rostocker trotzdem nur im Mittelfeld aller Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns.

Daß im Rathaus nun Überlegungen Gestalt gewinnen, die Trinkwasserversorgung auf ein zweites Standbein zu stellen, hat zunächst nicht die Gebührenzahler, sondern die Umweltschützer auf den Plan gerufen: Spätestens Anfang 1997 werde der "Warnow-Wasser- und Abwasserverband" beim Schweriner Umweltministerium eine Konzession für die Förderung von Grundwasser im mittleren Mecklenburg beantragen, sagt Umweltsenatorin. Karina Jens. Nicht, daß die Qualität des Warnowwassers zu wünschen übrig ließe, aber man müsse auch an Havariefälle denken: Sturmfluten hätten die Warnow in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder auf Tage versalzen, ein Risiko stellten auch die diversen Brücken über den Fluß dar: "Was wenn ein Gefahrenguttransporter von der geplanten A 20 in den Fluß fällt? Unsere Reserven reichen nur für einen Tag."

Verworfen wurden indes Überlegungen, eine Meerwasserentsalzungs-Anlage zu bauen, oder Warnowwasser in der nahegelegenen Rostocker Heide zu verrieseln und nach Filtration durch Kiese und Sande gereinigt zu entnehmen. Das eine schien den Experten zu teuer, das andere zu wenig ergiebig. Unproblematisch ist die übriggebliebene, dritte Variante allerdings auch nicht: Umweltschützer halten das Heranführen von Grundwasser aus dem Landesinneren für bedenklich und zudem unnötig: "Die Warnow bietet Rostock genug Wasser, und zur Notversorgung könnte man auch eine Ringkopplung mit Stralsund und Wismar herstellen", erklärt Irmgard Rother von der Rostocker Greenpeace-Gruppe.

Daß Pläne für das Dreieck Güstrow-Teterow-Malchin bereits aus DDR-Zeiten vorliegen, bestätigt ein Sprecher des Umweltministeriums: Besonders interessant sei eine 160 Meter tief liegende Lagerstätte bei Basedow am Malchiner See, deren Nutzung laut Gutachten unbedenklich wäre. Das, so halten die Umweltschützer dagegen, sei jedoch nicht beweisbar.

Die Rostocker Senatorin Jens sagt beschwichtigend, noch sei die Sache ja alles andere als sicher, vor allem wegen der Investitionen. Diese werden immerhin mit 300 bis 350 Millionen Mark angegeben. Der wichtigste Grund für die Eile, mit der die Konzessionsbeantragung nun aber doch über die Bühne muß: Für das mecklenburgische Grundwasser gibt es auch Interessenten in Berlin.

hab/mor

071119 Nov 1996