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Sie sehen hier eine historische Nachrichtenmeldung der früheren Nachrichtenagentur ddp/ADN (ab 2010 "dapd") vom 02.10.1992, 10:02 Uhr.

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lsa/pl/Gebietsreform/Saalkreis
"Halles Kragenkreis" will sich nicht einverleiben lassen - Perschau: Zwangsweise Eingemeindung wird es nicht geben

-- Von ADN-Korrespondent Dirk Furchert --

Halle (dts Nachrichtenagentur/ADN-lsa). Die Gemeinden und das Landratsamt des Saalkreises stehen mit den halleschen Stadtvätern auf Kriegsfuß. Der 618 Quadratkilometer große Kreis-Sonderling umbindet nahezu vollständig die größte Stadt des Landes. Doch er will sich bei der bevorstehenden Kreisreform von den Saalestädtern nicht einverleiben lassen. Lautstarke Wortmeldungen aus Halle über die Angeliederung des Umlandes, der Ruf nach einem Machtwort aus Magdeburg und Befürchtungen um angebliche Millionenverluste im Steueraufkommen sind aus der Sicht der Kommunen des "Kragenkreises" Ausdruck dafür, daß das Ansinnen der Halleser einen eigennützigen Hintergrund hat. Sie werfen des Stadvätern der Bezirkshauptstadt vor, das Geld aus dem Umland in die eigene City stecken zu wollen.

Sachsen-Anhalts Innenminister Hartmut Perschau fällte sein Urteil über Halles "Expansionsbestrebungen" in ähnlich harten Tönen: Einige Formulierungen der letzten Tage würden von einer "gewissen Arroganz der Großstadt gegenüber dem Umland" zeugen, meinte der geistige Vater der Gebietsreform in einem Gespräch mit einer halleschen Tageszeitung. Für dieses Urteil dürften nicht zuletzt solche Äußerungen wie die des halleschen Finanzdezernenten Norbert Brisken (SPD), "Städte wurden in Deutschland immer per Gesetz vergrößert", den Ausschlag gegeben haben. Ein glatter Rechtsbruch wäre, so Perschau, das Vorschaltgesetz, welches Bürgeranhörungen und mehrheitliche Beschlüsse des Gemeinderates vorsieht, durch den Ruf nach dem Magdeburger Gesetzgeber zu umgehen.

Den Hallenser Wünschen nach mehr Land für die Stadt waren die Bürgermeister der Saalkreisgemeinden bereits zuvor energisch entgegengetreten. Das Landratsamt des Saalkreises hatte darauf verwiesen, daß es sich um den einzigen Kreis ohne Kreisstadt handelt. Dadurch kämen im Saalkreis alle öffentlichen Mittel den Kommunen gleichmäßig zugute. Die Behörde konnte aufatmen, als der Innnminister seine Vorschläge zur Gebietsreform präsentierte. Danach wird der Saalkreis nicht nur erhalten, sondern sogar noch ein wenig erweitert.

"Ehe wir uns von Halle eingemeinden lassen, schließen wir uns lieber dem Kreis Merseburg an", protestierte Hohenweidens Bürgermeister Roland Koppsiecker (Neues Forum) gegen die Pläne von Halle. Seine Meinung ist exemplarisch für den Schulterschluß der Saalkreis-Bürgermeister. Ursachen für die tiefe Kluft zwischen Halle und seinem "Kragen" sind nicht zuletzt in Mißverhältnissen aus DDR-Zeiten zu suchen. Die Vernachlässigung des Umlandes des "Arbeiterzentrums Halle" hatte zu deutlich sichtbaren Gegensätzen geführt.

Als einzig möglichen Ausweg aus dem Debakel sieht Innenminister Perschau eine Kooperation zwischen Halle und dem Saalkreis. Er regte einen Umlandverbund zwischen der Großstadt, dem Saalkreis und Halles Nachbarkreis Merseburg an. In einem Planungsausschuß könnte gemeinsam über Sachfragen diskutiert werden, so der Landespolitiker.

dfu/amu

020902 Oct 1992